Die Verhältnisse in der Ukraine lassen die Erinnerungen an Kosovo in den Blickpunkt kommen. Über Völkerrecht lässt sich trefflich streiten es gibt viele (interpretationen) davon und jeder Staat sucht sich das heraus was gerade passt. Der rein rechtliche Ansatz führt also in die Irre. Es geht um Geopolitik und Machtpolitik sowie um Versagen von Diplomatie.
Die wichtigsten Punkte zur Frage der Rechtmässigkeit der “Wiedervereinigung der Krim mit Russland” ;
1) Die Expansion nach Osten durch die NATO dürfte unbestritten und Fakt sein.
2) Es gabe dazu eine Vereinbarung mit Russland die vom Westen nicht eingehalten wurde. Einen Rechtsbruch sehe ich hier nicht, schon gar nicht der NATO, wohl aber eine Verhalten, das zu Recht als agressiv gewertet werden kann.
3) Im Budapester Memorandums von 1994 wurde auch durch Russland die territorale Integrität garantiert. Es wurde auch von Russland de-facto nicht verletzt, wenn man der Krimbevölkerung daselbe Selbstbstimmungsrecht der Menschenrechtcharta zugesteht so wie damals der Westen im Kosovo. Nichtmal wenn es eine de-facto-Annexion wäre. Auch darüber kann man durchaus leidlich debattieren, ob es eine de facto-Annexion der Krim war oder schlicht eine Abspaltung wie Kosovo, die ja als Staatengründung viel gravierender war. Kosovo hat damals einen Präzedenzfall geschaffen, der heute vpm Russischen Aussenminister zurecht angeführt wird. Das Argument wird auch von Obama nicht bestritten, sondern nur mit einem schwachen Hilfsargument relativiert.
4) Der Zustand der NATO ist irrelevant, ein sofortiger militärischer Konflikt wurde wohl kaum angestrebt.
Wichtigere Fragen sind:
- Rechtmässigkeit von Volksabstimmungen in der Krim (und Katalonien);
- Ist eine beispielslose Eskalation, die direkt in den dritten Weltkrieg führen kann sinnvoll?
- Wird das IMF Regime der Ukraine wie in Griechenland “helfen”?
- Muss EU die Ukraine wie Griechenland gravierend finanziell unterstützen und wird damit entgültig de-stabilisiert?
- Will Europa einFreihandelsabkommen mit den USA um durch Fracking-Gas sich von dem russischen Gas abzukoppeln?
- Glaubt man, das was auf dem Maidan nach (und vor dem 21.2.) passierte, friedliche demokratische Proteste und ein legitimer Umsturz waren?
Darauf, dass die Ukraine wohl nun das siebte Land ist, welches seit den 80ern durch westliche Intervention ins Chaos geführt wurde, möchte ich nachfolgend eingehen. Es gibt durchaus Gesichtspunkte, dass gerade die Westmächte in den achtziger Jahre wie heute in der Ukraine mitgeholfen haben, die jugoslawische Wirtschaft zu vernichten und dabei schwelende ethnische und soziale Konflikte anzuheizen.
Die Destabilisierung und Zerstörung der jugoslawischen Wirtschaft
Seit Beginn der achtziger Jahre diktieren aus ländische Kredite weitreichende `Reformen’, die zur Zerstörung des industriellen Sektors führten und zugleich das Sozialsystem des Landes erodieren ließ. Damit wurde nicht nur die Wirtschaft, sondern auch die Politik in Jugoslawien chaotisiert: denn die separatistischen Tendenzen, die sich auf ethnische und soziale Unterschiede stützten, gewannen während der Phase brutaler Verarmung unter der jugoslawischen Bevölkerung an Gewicht. Die makroökonomischen Reformen, die im Jahr 1980 begannen, hatten politisch und ökonomisch gesehen desaströse Auswirkungen.
Diese Wirtschaftsreformen erreichten ihren Höhepunkt unter der Regierung von Ante Markovic. Ein „Finanzhilfeprogramm” versprach im Austausch dafür drastische Wirtschaftsreformen: die Einführung einer neuen, abgewerteten Währung, ein Einfrieren der Löhne, eine drastische Kürzung der Staatsausgaben und die Abschaffung der selbstverwalteten vergesellschafteten Betriebe. Diese „Wirtschaftstherapie” trug zur Lähmung des Bundestaats bei. Vor allem die Umschuldungsverträge der staatlichen und kommerziellen Kredite, führten zu politischen Spannungen zwischen der Hauptstadt Belgrad und den Teilrepubliken. Steuergelder, die als Ausgleichszahlungen an die Teilrepubliken und die autonomen Provinzen hätten gehen sollen, dienten zur Schuldentilgung bei den Pariser und Londoner Finanzclubs. Die vom IWF induzierte Budgetkrise schuf so – in wirtschaftlicher Hinsicht – jene Tatsachen, die den Weg für die formale Abspaltung Kroatiens und Sloweniens im Juni 1991 frei machten.
Die industrielle Strukturreform 1989 war ein weiterer Meilenstein auf dem Weg des industriellen Sektors in den Bankrott. 1990 war das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts auf -7,5 % gefallen. 1991 fiel es um weitere 15 %, die industrielle Produktivität sank um 21 %. Die Strukturreform, die von Belgrads Kreditoren diktiert worden war, verursachten die Abschaffung der vergesellschafteten Betriebe. Das Unternehmensgesetz von 1989 verlangte die Abschaffung der Grundstrukturen gemeinschaftlicher Arbeit, die eine Form vergesellschafteter Produktionsgemeinschaften unter der Leitung der Betriebsräte darstellten. Das Gesetz schrieb die Verwandlung dieser Strukturen in privatkapitalistische Unternehmen vor. Die Betriebsräte sollten durch sogenannte „Sozialkomitees” unter der Kontrolle des Betriebseigners ersetzt werden.
Die Restrukturierung der Wirtschaft wurde – mit wesentlicher Unterstützung westlicher Rechtsanwälte und Berater – durch eine Anzahl neuer Gesetze abgesichert. So trat ein neues Bankengesetz in Kraft, das die Liquidation der gemeineigenen Banken vorsah. Über die Hälfte aller jugoslawischen Banken wurden geschlossen, der Druck lag eindeutig auf der Schaffung profitorientierter Institutionen.
Die von IWF und Weltbank gesponserten Reformen waren ein Bankrottprogramm. Die Kredite an den industriellen Sektor wurden eingefroren – der Auflösungsprozeß damit beschleunigt. Dazu hatte das Gesetz zur Regelung der Finanzwirtschaft von 1989 sogenannte Abwicklungsmechanismen geschaffen: Unternehmen mußten im Falle einer 45 Tage andauernden Zahlungsunfähigkeit innerhalb von 15 Tagen eine Einigung mit ihren Kreditoren erreichen, sonst wurde der Konkurs eingeleitet. Da Regierungsinvestitionen durch das Gesetz verboten wurden, konnten Kreditoren ihre Kredite routinemäßig als Machtmittel über die zahlungsunfähigen Unternehmen mißbrauchen.
Die Deregulierung des Außenhandels im Januar 1990 provozierte eine Flut von Warenimporten aus dem Ausland – die einheimische Produktion wurde destabilisiert. Sogenannte Schnellkredite, die vom IWF, der Weltbank und verschiedenen Geberländern zur Unterstützung der ökonomischen Reformen ausgeschüttet wurden, erwiesen sich als kreditpolitischer Knieschuß für die jugoslawische Wirtschaft. Der mit geliehenen Geldern getragene Importboom steigerte den Schuldendruck. Die abrupten Anstiege bei Zinsen und Einkaufspreisen führten gleichzeitig zum Ausschluß einheimischer Produkte vom innerjugoslawischen Markt.
1989/90 wurden so über 1.000 Unternehmen in den Bankrott geführt oder aufgelöst. Mit anderen Worten, die gesetzlichen Regelungen führten innerhalb von zwei Jahren über 600.000 Arbeiter zur Arbeitslosigkeit, und das bei einer nur 2,7 Millionen starken industriellen Arbeiterschaft in ganz Jugoslawien. Die höchste Zahl von Bankrotten und neuen Arbeitslosen entfiel auf Serbien, Bosnien, Herzegowina, Mazedonien und den Kosovo. (Die Weltbank 1991)
Viele vergesellschaftete Betriebe versuchten den Bankrott zu vermeiden, indem sie keine Löhne zahlten. Eine halbe Million Arbeiter erhielten während der ersten Monate von 1990 keinen Lohn, um die Forderungen der Kreditoren im Rahmen der Übereinkünfte zu erfüllen, wie sie das Gesetz zur Regelung der Finanzwirtschaft vorsah. Die Reallöhne be
fanden sich in freiem Fall, Sozialprogramme waren zusammengebrochen, die Konkurswelle in der Industrie hatte zu flächendeckender Arbeitslosigkeit geführt. All dies verursachte bei der Bevölkerung eine Atmosphäre der Hoffnungslosigkeit und sozialen Verzweiflung.
Kolonialisierung Jugoslawiens und der Nachfolgestaaten
Unter der Verfolgung weitsichtiger strategischer Interessen hatten die IWF-induzierten Sparmaßnahmen den Weg für die Kolonisierung des Balkans geebnet. Die Wirtschaftsreformen, die jetzt den Nachfolgestaaten aufgezwungen werden, sind eine logische Erweiterung und Fortsetzung dessen, was das ehemalige Jugoslawien zu Fall gebracht hat. Die Chancen zum Wiederaufbau der kriegszerstörten, neuerdings unabhängigen Republiken sind gering: Umschuldungen sind ein integraler Bestandteil des Friedensprozesses. Die Privatisierungsprogramme haben zu noch größerem Wirtschaftsabbau und weiterer Verarmung der Bevölkerung beigetragen. Das Bruttoinlandsprodukt ist von 1990 bis 1993 um 50% gefallen. Jugoslawien wurde unter der Lupe der ausländischen Kreditoren zerstückelt – die Auslandsschulden sind genauestens an die verschiedenen Nachfolgestaaten verteilt.
Beispiel Kosovo
In enger Abstimmung mit wichtigen Akteuren der internationalen Gemeinschaft, erklärte Kosovo die Unabhängigkeit von Serbien am 17. Februar, 2008. Während ethnische Albaner, mit über 90% der Bevölkerung des Kosovo die Eigenstaatlichkeit unterstützte, haben die serbisch-Mehrheit Gemeinden im Norden des Kosovo die Legitimität der Regierung abgelehnt.
Die Wirtschaft Kosovos war schon zu jugoslawischen Zeiten durch ihre Agrarstruktur und die Rolle als gefragter Rohstofflieferant (vor allem Braunkohle, Nickel, Zink, Blei, Bauxite und Magnesium) geprägt. In den späten 1970er und während der 1980er Jahre brachte es das Land deshalb zu einer gewissen wirtschaftlichen Blüte. In den 1990er Jahren kam es aber zu einem drastischen wirtschaftlichen Niedergang. Die Jahre nach dem Kosovo-Krieg 1998/99 waren durch den Wiederaufbau, Infrastrukturvorhaben und den damit einhergehenden Bauboom gekennzeichnet. Gleichzeitig wurde schrittweise der Transformationsprozess von einer sozialistisch geprägten Wirtschaft in eine offene Marktwirtschaft eingeleitet.
Die kosovarische Wirtschaft ist im Wesentlichen eine Konsumwirtschaft mit geringer Eigenproduktion. Die Wirtschaft ist zu großen Teilen von Transferleistungen der kosovarischen Diaspora, vor allem der in Deutschland und der Schweiz, abhängig.
Bei der Höhe der Arbeitslosigkeit ist Kosovo heute Spitzenreiter auf dem Westbalkan. Hinzu kommen die unzureichende Energieversorgung sowie ein unterentwickelter Industriesektor, welcher eine massive Exportschwäche und ein hohes Außenhandelsdefizit zur Folge hat.
Der landwirtschaftliche Sektor ist vor allem durch die nach wie vor weit verbreitete Subsistenzwirtschaft vieler familiärer Kleinstbetriebe mit geringer Produktivität gekennzeichnet. Ungeklärte Eigentumsfragen werden zunehmend gelöst, erschweren aber nach wie vor den Zugang vieler Betriebe zu kostengünstigen Krediten. Obwohl ein weitaus größeres Potential besteht, deckt Kosovo nur etwa 30% des Bedarfs an Nahrungsmittel durch Eigenproduktion. Aufgrund der niedrigen Arbeitskosten und des fruchtbaren Landes sowie der weiter wachsenden Binnennachfrage wird Potenzial für mehr Wachstum insbesondere bei Obst, Gemüse und Wein gesehen.
Wichtigster Rohstoff des Landes ist Braunkohle mit geschätzten Vorkommen von 14.700 Mio. t. Damit liegt Kosovo in Europa nach Deutschland an zweiter, weltweit an fünfter Stelle. Der Anteil dieses Energieträgers an der Elektrizitätserzeugung beträgt 97%. Außerdem verfügt Kosovo über Bauxit, Blei, Zink, Nickel, Chrom, Seltene Erden, Kupfer, Gold und Platin sowie über Natursteine wie Marmor, Kalkstein und Granit. Der industrielle Sektor bleibt nach wie vor schwach ausgeprägt. Nur etwa 10% der Unternehmen sind in diesem Sektor tätig.
Das unverändert hohe Handelsbilanzdefizit bleibt eine der strukturellen Schwächen der kosovarischen Wirtschaft. Im Jahr 2012 belief es sich auf etwa 2.232 Mio. Euro oder 46% des BIP. Die Importe betrugen 2.508 Mio. Euro, die Export 276 Mio. Euro. Der Saldo der Dienstleistungsbilanz fällt dagegen seit Jahren positiv aus (2012: circa 175 Mio. Euro).
Zu den Haupteinfuhrprodukten Kosovos gehören Rohstoffe (insbesondere Mineralöl), verarbeitete Lebensmittel, Maschinen und elektrische Geräte, Grundmetalle und deren verarbeitete Erzeugnisse sowie chemische Industrieprodukte. Die wichtigsten Ausfuhrerzeugnisse sind Grundmetalle und deren verarbeitete Produkte, Rohstoffe (insbesondere Erze), Maschinen und elektrische Geräte, landwirtschaftliche Produkte und Lebensmittel.
Zu den Hauptlieferländern zählten im Jahr 2012 nach Angaben der Statistikagentur in Pristina Deutschland mit 304 Mio. Euro (laut Statistischem Bundesamt waren es nur 153 Mio. Euro), Mazedonien (288 Mio.), Serbien (278 Mio.), Italien (213 Mio.), Türkei (199 Mio.) und die VR China (160 Mio.). Zu den Hauptabnehmerländern gehörten im gleichen Zeitraum Italien (71 Mio. Euro), Albanien (40 Mio.), Mazedonien (26 Mio.), Schweiz (15 Mio.), Deutschland (15 Mio.), Serbien (14 Mio.) und Türkei (11 Mio.). Im Vergleich zum Vorjahr nahmen die Exporte in die VR China stark von 28 Mio. auf 3 Mio. Euro ab.
Seit Mitte 2009 ist Kosovo Mitglied des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank-Gruppe, seit Dezember 2012 der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (European Bank for Reconstruction and Development, EBRD) und seit Juni 2013 der Entwicklungsbank des Europarats (Council of Europe Development Bank, CEB). Ebenfalls im Juni 2013 hat Kosovo ein Rahmenabkommen mit der Europäischen Investitionsbank (European Investment Bank, EIB) geschlossen.
Kosovo profitiert von den autonomen Handelsmaßnahmen (ATM) der EU. Der nächste wichtige Schritt wäre ein Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen (SAA), um unter anderem die Handelsbeziehungen mit der EU zu vertiefen und auszubauen.
Deutschland bleibt innerhalb der EU der wichtigste Handelspartner des Landes. Das BIP je Einwohner in Kosovo lag im Jahr 2012 nach Schätzung des IWF bei 2.760 Euro, das BIP insgesamt bei 4,857 Mrd. Euro. Damit bleibt Kosovo das ärmste Land auf dem Balkan. Das reale Wachstum des BIP hat sich nach der sehr hohen Zunahme von 5% im Jahr 2011 auf etwa 2,1 % im darauffolgenden Jahr abgeschwächt – stärker noch als ursprünglich vom IWF prognostiziert. Die Unterstützung internationaler Geber bleibt nach wie vor hoch, nimmt aber tendenziell ab.
Zuverlässige Zahlen über die tatsächliche Höhe der Arbeitslosigkeit liegen nicht vor. Im 1.Halbjahr 2012 betrug die Arbeitslosenquote nach offiziellen Angaben 35,1 %. Laut der gemeinsam von Weltbank und der kosovarischen Statistikagentur erstellten Studie “Labour Force Survey 2012” soll sie bei den 15- bis 25-Jährigen sogar bei 60% liegen.
Auf Drängen des IWF wird Kosovo 2013 ein Gesetz verabschieden, um die fiskalische Nachhaltigkeit auch nach Auslaufen des Stand-by-Arrangements (SBA) mit dem IWF zu sichern. Den im Jahr 2011 eingeschlagenen in der Fiskalpolitik führt Kosovo weiterhin konsequent und erfolgreich durch – unter strenger IWF-Aufsicht. Eine eigenständige Geldpolitik ist nur eingeschränkt möglich; da Kosovo im Jahr 1999 die D-Mark und 2002 den Euro unilateral als Zahlungsmittel übernommen hat. Eine maßgebliche Rolle spielt die Zentralbank, die vor allem vom IWF beraten wird und die Aufsichtsrolle über Geschäftsbanken, Versicherungen und den Pensionsfonds wahrnimmt. Kosovo ist die ideale Kolonie.
Daten nach Fischer-Weltalmanach |
2014 | 2012 | Vergleichszahlen Bundesrepublik Deutschland 2012 |
Fläche vom Kosovo in 1.000 km² (Weltrangplatz): |
10,9 (162) | 10,9 (162) | 357 (63) |
Einwohner vom Kosovo in 1.000 (Weltrangplatz): |
1 806 (146) | 1 805 (145) | 81 880 (16) |
Bevölkerungsdichte vom Kosovo, Einwohner je km²: | 166 | 166 | 229 |
Bruttosozialprodukt vom Kosovo in US-$ je Einwohner: | 3 640 | 3 240 | 42 430 |
Wert der Landeswährung vom Kosovo, 1 Euro = Landeswährung: | 1 | 1 | 1 |
Arbeitslosigkeit vom Kosovo, Arbeitslosenquote: |
2011: 45 % |
2010: 43 % |
7,7 % |
Inflationsrate vom Kosovo im Durchschnitt: | 2012: 2,5 % |
2010: 3,5 % |
Beispiel Kroatien: Dort ratifizierte die Regierung unter Franjo Tudjman bereits 1993 ein Abkommen mit dem IWF. Die darin verlangten massiven Budgetkürzungen lähmten Kroatiens Anstrengungen zur Stimulierung der eigenen Wirtschaftskräfte und gefährdeten somit den Wiederaufbau nach dem Krieg. Die Kosten zur Regeneration der kriegsgeschüttelten Wirtschaft wurden auf etwa 23 Milliarden US-Dollar geschätzt, weitere Kredite sind unvermeidlich. Ohne Schuldenstreichungen wird die Schuldenlast bis weit ins 21. Jahrhundert immer weiter anwachsen.
Als Gegenleistung für ausländische Kredite hat die Regierung Reformen zugestimmt, die zu noch mehr Firmenstillegungen geführt haben, während die Löhne auf ein katastrophal niedriges Niveau gefallen sind. Ein noch strengeres Konkursrecht und ein Entflechtungsverfahren für große staatseigene Betriebe setzten die Welle der Deindustrialisierung fort. Die offizielle Arbeitslosenrate stieg auf 19,1 % (1994).
Die kroatische Regierung versprach darüber hinaus die Restrukturierung und völlige Privatisierung der Banken, und zwar unter Mithilfe der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung und der Weltbank. Diese Institutionen haben auch einen Umbau des kroatischen Finanzmarkts verlangt, um ihn für westliche Investoren und Finanzspekulanten leichter zugänglich zu machen.
Beispiel Mazedonien: Im Dezember 1993 stimmte die Regierung in Skopje einer Senkung der Reallöhne und einer Einfrierung der normalen Kredite zu, um einen Sonderkredit des IWF zu erhalten. Das Geld war jedoch nicht für den Wiederaufbau bestimmt, sondern für die Rückzahlung von Krediten, die Skopje der Weltbank schuldig war. Darüber hinaus mußte die Regierung der Abwicklung der restlichen „Verlustbetriebe” und der Entlassung der „überflüssigen” Arbeiter zustimmen – was für die Hälfte der Industriearbeiter des Landes die Arbeitslosigkeit bedeutete. Die Wirtschaftstherapie des IWF für Mazedonien bedeutet eine Fortführung des Bankrottprogramms gegen Jugoslawien. Die Filetstücke der Wirtschaft werden jetzt an der neuen makedonischen Börse gehandelt. Diese Verschleuderung vergesellschafteten Eigentums hat zu einem Wirtschaftskollaps und flächendeckender Arbeitslosigkeit geführt. Paul Thomsen, den Vorsitzenden der IWF-Arbeitsgruppe zu Makedonien, veranlaßte diese Entwicklung zu der Einschätzung, daß die „Ergebnisse des Stabilisierungsprogramms eindrucksvoll” seien und erwähnte besonders lobend die „effektive Lohnpolitik” der Regierung. (MILS-News 1995)
Daten nach Fischer-Weltalmanach |
2014 | 2012 | 2010 | 2008 | 2006 | 2004 | 2002 | Vergleichszahlen Bundesrepublik Deutschland 2012 |
Fläche von Kroatien in 1.000 km² (Weltrangplatz): |
57 (124) | 57 (124) | 57 (123) | 57 (123) | 57 (123) | 57 (124) | 57 (124) | 357 (63) |
Einwohner von Kroatien in 1.000 (Weltrangplatz): |
4 267 (125) | 4 432 (120) | 4 436 (117) | 4 443 (116) | 4 445 (116) | 4 381 (116) | 4 464 (114) | 81 880 (16) |
Bevölkerungsdichte von Kroatien, Einwohner je km²: |
75 | 78 | 79 | 79 | 79 | 78 | 79 | 229 |
Bruttosozialprodukt von Kroatien in US-$ je Einwohner: |
13 290 | 13 770 | 10 460 | 8 290 | 5 370 | 4 550 | 4 530 | 42 430 |
Wert der Landeswährung von Kroatien, 1 Euro = Landeswährung: | 7,58 K | 7,45 K | 7,41 K | 7,36 K | 7,36 K | 7,61 Kuna | 7,41 K | 1 |
Arbeitslosigkeit von Kroatien, Arbeitslosenquote: |
2012: 15,9 % |
2010: 11,8 % |
2008: 8,4 % |
2006: 11,8 % |
2004: 13,8 % |
25,9 % | 21,0 % | 7,7 % |
Inflationsrate von Kroatien im Durchschnitt: |
2012: 3,4 % |
2010: 1,1 % |
2008: 5,5 % |
2006: 3,2 % |
2004: 2,1 % |
1990-2001: 72,2 % | 1990-1999: 105 % | 1,1% |
Auslandsverschuldung von Kroatien in Millionen US-$: |
? | ? | ? | ? | ? | 10 742 | 9 443 | ? |
Beispiel Bosnien-Herzegowina: Während das Friedensabkommen schlecht und recht von den Waffen der NATO aufrechterhalten wird, etablieren EU und USA in Bosnien-Herzegowina ein Wiederaufbauprogramm, welches das Land seiner wirtschaftlichen und ökonomischen Souveränität vollständig beraubt. Gestützt auf das Dayton-Abkommen, haben die USA und die Europäische Gemeinschaft eine vollkoloniale Verwaltung in Bosnien installiert. Als ihr Kopf fungiert der Hochkommissar Carl Bildt (ehemaliger Premierminister Schwedens, Vertreter der EU bei den Friedensverhandlungen in Bosnien und von den USA abgelehnter UN-Sonderbeauftragter für den Kosovo). Der Hochkommissar hat volle Exekutivrechte in allen zivilen Angelegenheiten. Er kann sogar Regierungsentscheidungen außer Kraft setzen. Der Hochkommissar handelt dabei in enger Übereinstimmung mit dem IFOR-Generalkommando und den Agenturen der Geberländer.
Die Verfassung, die in Dayton für Bosnien-Herzegowina ausgearbeitet wurde, überantwortet die Wirtschaftspolitik des Landes dem Westen: Artikel VII dieser Verfassung besagt, daß der Präsident der bosnischen Zentralbank vom IWF bestimmt wird, und „weder ein Bürger Bosnien-Herzegowinas, noch einer der Nachbarstaaten (…)” sein darf. Darüber hinaus darf die Zentralbank keine wirkliche Zentralbank sein. „Im Zeitraum der ersten sechs Jahre (…) darf sie keine Kredite mit dem Effekt der Geldschöpfung vergeben.” (Artikel VIII). Dem neuen „souveränen” Staat wird eine eigene Währung verweigert. Papiergeld darf nur dann geschaffen werden, wenn es voll durch ausländische Devisen gedeckt ist. Die Fähigkeit zur Selbstfinanzierung (ohne massive Verschuldung im Ausland) wurde so von Anfang an sabotiert.
Das Management der bosnischen Wirtschaft ist unter den Institutionen der Geberländer aufgeteilt worden: während die Zentralbank unter IWF-Überwachung steht, kontrolliert die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung die öffentlichen Wirtschaftsunternehmen und bestimmt auch den Vorsitzenden dieser Kommission, die die Restrukturierung des öffentlichen Sektors über
wacht und staatliches bzw. gesellschaftliches Eigentum privatisiert.
Neue Kredite werden nur gegeben, um alte Schulden zurückzuzahlen. Die Zentralbank der Niederlande hat zum Beispiel großzügigerweise eine Summe von 37 Millionen Dollar als „Überbrückungskredit” gewährt. Aber dieses Geld ist zweckbestimmt: Er soll Bosnien in die Lage versetzen, alte Schulden an den IWF zurückzuzahlen. Der nächste Schritt in dieser absurden Spirale: Der angeforderte Kredit vom Notfonds des IWF für sogenannte Nachkriegsgesellschaften wird überhaupt nicht in den Wiederaufbau fließen, sondern dazu dienen, den Kredit aus den Niederlanden zurückzuzahlen… Auf diese Weise schraubt sich die Schuldenspirale in die Höhe, während überhaupt keine realen finanziellen Ressourcen für den Wiederaufbau verwendet werden.
Da dem Land nationale Souveränität vollkommen fehlt, wird seine Zukunft viel eher in Washington, Bonn und Brüssel gemacht als in Sarajevo. Der Prozeß eines sogenannten Wiederaufbaus, der sich auf fortgesetzte Umschuldung stützt, wird sowohl Bosnien-Herzegowina als auch die anderen Nachfolgestaaten Jugoslawiens auf dem Niveau der Dritten Welt festhalten.
Beispiel Serbien:
Daten nach Fischer-Weltalmanach |
2014 | 2012 | 2008 mit Kosovo |
Vergleichszahlen Bundesrepublik Deutschland 2012 |
Fläche von Serbien in 1.000 km² (Weltrangplatz): |
77 (115) | 77 (115) | 88 (110) | 357 (63) |
Einwohner von Serbien in 1.000 (Weltrangplatz): |
7 224 (100) | 7 320 (98) | 9 863 (80) | 81 880 (16) |
Bevölkerungsdichte von Serbien, Einwohner je km²: |
93 | 94 | 112 | 229 |
Bruttosozialprodukt von Serbien in US-$ je Einwohner: |
5 280 | 6 000 | 3 220 | 42 430 |
Wert der Landeswährung von Serbien, 1 Euro = Landeswährung: |
112 RSD | 97 RSD | 81 N. Din | 1 |
Arbeitslosigkeit von Serbien, Arbeitslosenquote: |
2012: 23,9 % |
2010: 19,2 % |
2006: 20,9 % |
7,7 % |
Inflationsrate von Serbien im Durchschnitt: |
2012: 7,3 % |
2010: 6,2 % |
2006: 12,7 % |
1,1% |
Auslandsverschuldung von Serbien in Millionen US-$: |
? | ? | ? | ? |
Der Krieg als notwendiger Teil der Restrukturierung Jugoslawiens
Die volkswirtschaftlichen Reformen, die Jugoslawien aufgedrängt wurden, haben unbestreitbar zur Auflösung des ganzen Landes beigetragen. Aber seit dem Beginn des Krieges 1991 ist die zentrale Rolle dieser Reformen von den globalen Medien übersehen worden. Während die Medien ein genaues Tagebuch der Kriegsereignisse und des „Friedensprozesses” lieferten, wurde der soziale und politische Einfluß der ökonomischen Reformen in Jugoslawien aus unserem Bewußtsein getilgt. Kulturelle, ethnische und religiöse Spannungen werden nach allen Seiten untersucht und auf dogmatische Weise als die einzige Ursache der Krise dargestellt, während sie doch in Wirklichkeit nur die Folge eines tiefer liegenden Prozesses der wirtschaftlichen und politischen Auflösung sind.
Der Ruin eines ganzen Wirtschaftssystems, der Ausverkauf ganzer Industriezweige, die Gewinnung „neuer Märkte” und das Gerangel um „Einflußsphären” auf dem Balkan sind die wahren Ursachen des Konflikts. Im ehemaligen Jugoslawien stand das Schicksal von Millionen Menschen auf dem Spiel. Die volkswirtschaftlichen Reformen zerstören ihre Lebensperspektive, nehmen ihnen das Recht auf Arbeit, Ernährung und Unterkunft, ganz zu schweigen von ihrer Kultur und ihrer nationalen Identität. Die Grenzen wurden willkürlich neu gezogen, das gesamte Justizsystem wurde auf den Kopf gestellt, vergesellschaftete Unternehmen wurden in den Ruin getrieben, das Finanz- und das Bankensystem wurde zerstört, Sozialprogramme und soziale Institutionen wurden dem Erdboden gleich gemacht.
Während lokale Machthaber und die Westmächte die Filetstücke der ehemaligen jugoslawischen Wirtschaft untereinander aufteilen, dient die Zersplitterung des Staatsgebiets und die Verewigung sozialer und ethnischer Spaltungen durch die neugeschaffene Teilungsstruktur als Bollwerk gegen einen vereinten antikolonialen Widerstand der Jugoslawen.
Die Entwicklung in Jugoslawien spiegelt ähnliche Restrukturierungsprogramme nicht nur in den Entwicklungsländern, sondern auch in den Grichenland, der ganzen EU und nun in der Ukraine . „Einschneidende Wirtschaftsmaßnahmen” seien die Antwort, heißt es; überall wird den Menschen weisgemacht, daß es keine andere Lösung gibt als die Schließung von Fabriken, die Entlassung von Arbeitern, die Kürzung der Sozialprogramme. In diesem Gesamtkontext sollte die Wirtschaftskrise in Jugoslawien gesehen werden. Die Reformen und der Krieg in Jugoslawien sind nur die extreme Spielart eines destruktiven ökonomischen Modells, das der Neoliberalismus Ländern in der ganzen Welt aufoktroyiert.
http://www.welt-auf-einen-blick.de/gute_staaten_schlechte_staaten/index.php
Geheimdirektive von 1984 (National Security Decision Directive / NSDD 133) „Die Politik der USA in Bezug auf Jugoslawien”