FAZ MONTAG 01. JULI, 2013
Emissionshandel und EEG-Subventionen bremsen sich gegenseitig. Geplante Reformen ändern an diesem Dilemma nichts, kritisieren Ökonomen.

Die Bemühungen um den Klimaschutz kann man sich in etwa so vorstellen: Zwei kräftige Akteure wollen dafür sorgen, dass weniger Kohlendioxid in die Luft geblasen wird. Doch anstatt gemeinsam an einem Strang zu ziehen, zerren und zurren die beiden in entgegengesetzte Richtungen. Das Ergebnis des Kraftakts sei Stillstand, kritisieren Ökonomen.

Zwar wird an beiden vorhandenen Klimaschutzinstrumenten, dem europäischen Emissionshandel und dem Erneuerbaren-Energien-Gesetz (EEG), derzeit herumgedoktert, doch ändere das nichts an dem grundlegenden Konstruktionsfehler. „Durch die Windräder und Solaranlagen wird derzeit kein einziges Gramm Kohlendioxid eingespart“, bemängelt Joachim Weimann, Volkswirt an der Universität Magdeburg.

Wer die Fundamentalkritik nachvollziehen will, muss verstehen, wie unterschiedlich Emissionshandel und EEG funktionieren. Der Emissionshandel setzt auf ein marktwirtschaftliches Verfahren. Die Politik definiert die Höchstgrenze der erlaubten Emissionen und damit zugleich, wie viele Tonnen CO2 eingespart werden müssen. Die Aufteilung dieser Menge erledigt der Markt: Unternehmen, die Kohlendioxid emittieren möchten, müssen für jede Tonne ein Zertifikat vorweisen. Mit den Zertifikaten wird gehandelt. So entsteht ein Preis für die Verschmutzungsrechte, der den Unternehmen die Entscheidung ermöglicht, ob sie in klimaschonende Technik investieren und überschüssige Zertifikate verkaufen. Ökonomen loben dieses Verfahren, weil es dafür sorge, dass stets dort in Klimaschutz investiert wird, wo es am günstigsten ist.

Das EEG folgt einer anderen Idee, es setzt auf Subventionen. Das Gesetz garantiert Unternehmen und Privatpersonen, die mit Solaranlagen, Windrädern oder Biogasanlagen Strom erzeugen und ins Netz einspeisen, zum einen Vorrang vor konventionellen Stromerzeugern, zum andern über zwei Jahrzehnte einen festen Preis für jede eingespeiste Kilowattstunde Ökostrom. Das schafft Investitionssicherheit und erklärt den rasanten Ausbau von Solar- und Windstromerzeugung. Dieser verursacht aber zugleich immense Kosten, die, abgesehen von einzelnen Ausnahmen, auf alle Stromkunden umgelegt werden und sich aktuell auf rund 20 Milliarden Euro im Jahr summieren.

Das Kernproblem, das aus dem Nebeneinander beider Mechanismen entsteht und den positiven Klimaeffekt verpuffen lässt, liegt für Ökonomen auf der Hand: „Wenn die Subventionen für die erneuerbaren Energien Wirkung haben, dann machen sie das Handelssystem kaputt“, sagt Steven Stoft, ein amerikanischer Klimaökonom, der unter anderem das britische Energieministerium berät.

Deutlich wird das an einem Beispiel: Wächst wie in Deutschland der Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung, verdrängen Sonne, Wind und Biomasse Gas- und Kohlekraftwerke vom Markt. Der teure, aber auf den ersten Blick positive Klimaeffekt kommt nicht zustande, da die festgelegte Gesamtmenge der Emissionszertifikate konstant bleibt: Die Kraftwerksbetreiber verkaufen ihre Emissionsrechte oder fragen diese erst gar nicht nach, erklärt Weimann. „Der Preis für die Zertifikate sinkt dadurch und damit der Anreiz für Unternehmen, in klimaschonende Technologien zu investieren.“ Verschlimmernd komme hinzu, dass ein niedriger Preis – wie er in Europa auch aus anderen Gründen seit vielen Monaten herrscht – die Erforschung klimaschonende Technologien unrentabel mache, dafür aber den Brennstoffen den meisten Rückenwind gebe, die die meisten Emissionen verursachten. In Deutschland feiert Braunkohle eine Renaissance, die Emissionen im zurückliegenden Jahr sind leicht gestiegen. „Dieser Konstruktionsfehler ist nicht neu“, sagt Stoft, „aber er ist höchst wichtig und wird nur von wenigen verstanden.“

Reformvorschläge für Emissionshandel und EEG, die derzeit politisch diskutiert werden, greifen die Grundproblematik nicht auf, kritisiert Ökonom Weimann. So sprach sich der Umweltausschuss des Europäischen Parlaments für das sogenannte Backloading aus (F.A.Z. vom 20. Juni). 900 Millionen Emissionszertifikate sollen demnach vorübergehend aus dem Markt genommen und ihm erst ab 2016 schrittweise wieder zugeführt werden. Das Backloading soll so den niedrigen Preis der Zertifikate nach oben treiben. Die Wechselwirkung mit nationalen Förderprogrammen wie dem EEG spielt dabei keine Rolle.

Auf der anderen Baustelle, der Reform des EEG, wird es erst nach der Bundestagswahl im September nennenswerte Bewegung geben, stellte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zuletzt klar (F.A.Z. vom 13. Juni). Zwar betonte sie, EEG-Reform und Umbau des Emissionshandels müssten künftig Hand in Hand gehen, wie das gelingen soll, ließ sie jedoch offen. Forscher Weimann hält das Vorhaben der Kanzlerin von vornherein für zum Scheitern verurteilt: „Man kann diese beiden Systeme nicht vereinbaren“, sagt er. Merkel machte zudem deutlich, dass sie nicht an den für zwanzig Jahre garantierten Festpreis für Ökostrom aus bestehenden Projekten heran will und sie auch am Einspeisevorrang für Ökostrom festhalten möchte. Weimann: „So wird das EEG den Emissionshandel weiterhin ausbremsen, eine wirkliche Reform wäre es, das EEG zugunsten des Emissionshandels abzuschaffen.“