Mehr Blamage geht nicht. Die Zypernkrise führt sie alle vor: Die Bundesregierung wollte vor der Bundestagswahl an russischen Oligarchen ein publikumswirksames Exempel statuieren. Macht sich gut im ÖR und Wahlkampf. Ging allerdings schief.
Die Regierungen, die Finanzminister Europäische Union (EU),der Internationale Währungsfonds (IWF), die Europäische Zentralbank (EZB) und die European Banking Authority (EBA): Ignoranz und Inkompetenz, wohin das Auge blickt. Die Rechnung bezahlt die ruinierte Mittelklasse und die Unternehmen in Zypern – und natürlich der deutsche Steuerzahler.
Ein Großteil der russischen Gelder liegt nicht mehr auf zyprischen Bankkonten, über die Uniastrum Bank, einer in Moskau ansässigen Tochter der Bank of Cyprus und auch über die Filialen der zyprischen Banken in London konnte noch bis Mittwochabend Geld abgehoben und transferiert werden. Die Kontrolle unterlag ausschließlich der britischen beziehungsweise russischen Zentralbank. Das wurde offenbar irgendwie übersehen. Werden Kapitalverkehrskontrollen auch in Zukunft so dilettantisch gehandhabt, dann wird wohl nur noch die EZB Zypern mit Liquidität versorgen können.
Die Rettung Zyperns wird für Europa jetzt wesentlich teurer als die bisher veranschlagten zehn Milliarden Euro. Die Verantwortlichen wissen das, nur soll das niemand merken. Die Aufräumarbeiten für das katastrophale Krisenmanagement in Zypern muss die EZB übernehmen, indem sie über die zyprische Notenbank weiter Notfallkredite (Emergency Liquidity Assistance, ELA) gewährt. Die EZB hat keine Wahl.Der Vorteil für die Bundesregierung um Kanzlerin Angela Merkel: Mit dem Rückgriff auf das kostenlose Zentralbankgeld muss der Bundestag zunächst kein weiteres Rettungsprogramm verhandeln.
Das System Merkel funktioniert allerdings nur bis zum ersten Euro-Austritt. Dann würde es richtig teuer mit Blick auf die fälligen Abschreibungen auf die Target2-Forderungen der Deutschen Bundesbank. Durch die Kapitalflucht aus den Krisenländern sind die Target2-Forderungen im Sommer 2012 zwischenzeitlich auf gut 750 Milliarden Euro angeschwollen. Bis Februar 2013 schwächste sich der Saldo zwar ab, er lag mit 612 Milliarden Euro aber immer noch astronomisch hoch und dürfte nun wieder nach oben drehen.
Nach der Kapitalflucht der Russen aus Zypern wird sich die Rechnung für die restlichen Inhaber von Bankeinlagen mit über 100.000 Euro dramatisch erhöhen. Anfangs waren knapp zehn Prozent als Zwangsabgabe geplant, dann sollten es nach dem Willen von IWF und der deutschen Regierung 40 Prozent sein. Am vergangenen Dienstag nun schickte der zyprische Finanzminister Michalis Sarris mit Blick auf die Einlagen bei der Bank of Cyprus 80 Prozent ins Enteignungsrennen. Bei der Laiki Bank, der zweitgrößten Bank des Landes, soll gar jeder Euro oberhalb von 100.000 Euro weg sein. Möglicherweise werden am Ende doch noch Bankkunden mit Einlagen unter 100.000 Euro bluten müssen.
In Zypern droht ein schleichender Bankrun auf Bankeinlagen von bis zu 68 Milliarden Euro. Diesen Abfluss muss die EZB mit Zentralbankgeld auffangen. Das sind keine guten Nachrichten für die Bundesbank. Denn ein Großteil dieser ELA-Gelder werden ihren Weg finden in den Target2-Forderungen der Bundesbank. Für deren Ausfallrisiko haftet der deutsche Steuerzahler.
Im Extremfall kann die Zypern-Rettung für Deutschland über ELA und Target2 weitaus teurer werden als jene für Griechenland. Allein auf Bankkonten in den Krisenstaaten Irland, Italien, Spanien und Portugal befinden sich Einlagen in Höhe von insgesamt rund 5.500 Milliarden Euro. Diese Summe ist fast doppelt so hoch wie die Bilanzsumme der EZB und mehr als viermal so hoch wie die Summe der beiden Rettungsfonds EFSF und ESM. Die Kapitalflucht aus Südeuropa könnte das Euro-System zum Implodieren bringen.
Quelle Wirtschaftswoche.