Die Einleitung kommt mit einer starken Unterstellung daher. Nun, ich freue mich als Vater über den Hamburger Volksentscheid. Ich halte das für eine Sachentscheidung, die ich nachvollziehen kann. Obwohl ich eine “Selektion” und das ist es, nach vier Jahren besonders in Bayern hart empfinde.Durchlässigkeit muss gegeben sein. Letzte Woche habe ich einen Befürworter der “Reform” nach dem Volksentscheid im DR diskutieren hören. Der “Experte” behauptet, wie dieser Artikel, die Reform war ein Kompromiß. Jeder der jemals ein Kind auf dem Gymnasium hatte, und das G8 Desaster in Bayern kennt, kann da nur lachen, Es ist unredlich wenn behauptet wird, zwei Jahre weniger können aufgefangen werden. Hier ging es klar um die Zerschlagung des jetzigen Schulsystems zur Einheitsschule. Der einzige und angebliche Vorteil Chancengerechtigkeit von sechs Jahren Primarschule ist unbewiesen und heftig umstritten. Eltern über Eltern riefen an und erklärten was für ein Unsinn auch diese Behauptung ist. Die Zahlen der Schüler, welche ihre Schulen ohne rudimentäre Basisbildung verlassen, sind ein Problem. Deswegen zerschlägt man ein nachweislich funktionierendes Schulsystem wie das Gymnasium. Ich kann da keine Logik erkennen, außer “Die öffentlichen Schulen sind gerecht, für alle genauso schlecht”, wie z.b. in Berlin. Da freuen sich die Privatschulen.
Dieser permanente Systemumbau geht am Kern vorbei, ich bin mir auch nicht sicher ob der Schultyp so entscheidend ist. Guter Unterricht muß wie gute Erziehung verschiedenartig gestaltet werden, weil Schüler individuelle Bedürfnisse haben. Für gute Schulen müssen wir Geld in die Hand nehmen, für Lehrer und Infrastruktur. Eltern müssen in die lokale Schulpolitik mehr einbezogen werden, dann können wir das (richtige) Thema Chancengerechtigkeit besser angehen. Welche Schulen ist gar nicht so das Thema, gute und nachhaltige Schulpolitik ist das Thema. Ich fordere einen bundesweiten Reformstop (zumindest in der Schulpolitik), der verhindert, daß nach jeder Wahl, auf Landes oder Bundesebene diese Experten und Landespolitiker permanent gravierend eingreifen.
Dieser Artikel und die Politiker suggerieren, Volksentscheide stellten eine Gefahr für die Demokratie dar, weil dann Populismus der Weg geebnet würde und weil wir Wähler dumm sind und uninformiert entscheiden. Mich verwundert diese Selbstsicherheit und empfinde sie als arrogant und glaube eher den Journalisten und Politikern geht es um ihre Pfründe. Tatsächlich hat sich längst herausgestellt, daß wir in einer postdemokratischen Zeit leben. Nationale Gesetze werden von EU-Gremien die gering bis gar nicht direkt demokratisch legitimiert sind übersteuert. Die Parteien bedienen Interessen, die dem Allgemeinwohl keinesfalls zuträglich sind und die einfachen Abgeordneten springen über jedes Stöckchen. Wenn man Ihnen nur sagt, “es gibt dazu keine Alternative” stellen sie Blankoschecks aus von den sie nur eine ungefähre Vorstellung haben wieviel Nullen drauf sind. Ich habe lange in der Schweiz gelebt, ich beneide die Schweiz um die direkte Demokratie. Natürlich will ich direkt mit entscheiden, wenn es um wesentliche Fragen geht, wie z.B. Schulform, meinetwegen auch in das Rauchverbot. In der Schweiz funktioniert das auch mit komplexen Fragen seit Jahrhunderten, warum nicht auch bei uns.
Als mündiger Bürger bin ich diese ewige Bevormundung, diese “liebevolle” Sorge der Journalisten um mein richtiges Bewußtsein leid. Gerade bei diesem Thema stellt sich der Journalismus in Deutschland oft auf die Seite Macht und gegen die Demokratie. Angeblich hat der Bürger nicht den Sachverstand zu entscheiden. Ich möchte mal eine signifikante Entscheidung sehen, wo die Bürger falsch lagen, aber die Politiker und Experten richtig. Fangen wir mit der Währungsunion an, dem Finanzstandort Deutschland der unregulierte Hedgefonds braucht etc.
Ich freue mich darüber, daß endlich Volksentscheide als das wahrgenommen werden, was sie sind, eine Chance zur Rückkehr in die Demokratie. Mehr Mitsprache in der Politik für durch die direkte Demokratie ist in Deutschland dringend nötig.. Die Einflußnahme mit Initiative und Referendum durch eine aufgeklärte und gebildete Bürgerschaft lehrt die Politikerkaste Demut und würde bestimmt die sogenannte “Entfremdung” zwischen Bürger und Politiker stoppen, wenn nicht gar umkehren. Die Angst vor dem gemeinen Volk war und ist, in den Köpfen sogenannter Eliten, schon seit Jahrtausenden vorhanden. Dabei lehrt die Geschichte einem eigentlich gerade das Gegenteil. Praktisch alle fatalen Entscheidungen, inklusive die Ernennung Hitlers als Reichskanzler, wurden ja nicht von den Völkern getroffen, sondern von den “gebildeten” Trägern der Macht, heute gerne als Elite bezeichnet. Direkte Demokratie verlangsamt den politischen Prozeß, was aber nicht zu dessen Nachteil ist. Selbstherrliches verkünden von sogenannten Sachzwängen, unrealistischen Visionen, utopische Wahlversprechen sind in einer direkten Demokratie viel schwieriger.
Wahltag ist Zahltag würde auch weiterhin gelten, nur statt einmal in vier Jahren dann, wie das Beispiel Schweiz zeigt, gleich viermal in einem Jahr.
Ich habe seit langem Mühe damit, wie in Deutschland und der EU über mich und mein Umfeld von oben herab einfach regiert werden kann, ohne mich wehren zu können.
Auf der anderen Seite habe ich auch gelernt, verlorenen Abstimmungen in Bayern zu akzeptieren. Als Nichtraucher habe ich für das derzeitige Gesetz und die Raucher gestimmt. Wegen einer Abstimmung ist noch keine Welt auseinander gebrochen – es ist eben direkte Demokratie. Mitmachen heißt eben Verantwortung tragen, nicht mitmachen heißt dann “ist mir egal. Schwer zu ertragen für all die Experten und Journalisten, die immer Gerechtigkeit für eine Minderheit brauchen, damit der Rotwein schmeckt.