Es war abzusehen. Die Schweizer haben eine Entscheidung gefällt, die von der ganzen Welt – oder jedenfalls von der veröffentlichten Meinung der Welt – als katastrophal angesehen wird. Die heute angenommene Initiative betrifft den Verfassungsartikel Art. 72 und führt einen neuen Absatz (3) ein, der den Wortlaut hat: “Der Bau von Minaretten ist verboten.” Hier geht es also nicht in Kulturkampf sondern letztlich um Baurecht
Der Versuch der Diskreditierung von Volksabstimmungen ist durchsichtig. Es ist ja wahr, dass die Entscheidung im Wege der reinen parlamentarischen Abstimmung nicht zustande gekommen wäre.
Ist das Parlament etwa ein Filter für als besonders heikel angesehene Meinungen des Volkes? Es scheint ein Konsens in Politik, Wirtschaft und Medien zu herrschen, dem Volk nur indirekte Macht zu verleihen und seine Wahlentscheidung in bestimmte Richtungen zu lenken, damit die elitären Interessen nicht gefährdet werden und die Dinge außer Kontrolle geraten.
Ich verstehe nicht warum von vielen eine Mehrheit in einer Demokratie in Frage gestellt wird… da muss ein gewisser Hang zum undemokratischen bestehen, sonst würden sie nicht dazu tendieren, Mehrheit gesetzlich zu unterbinden… Am bedenklichsten an der ganzen Sache finde ich, dass darüber nachgedacht wird diesen Volksentscheid durch den EuGH revidieren zu lassen. Nachzählen, durch Europa, welches eine dünne bis gar keine demokratische Legitimation hat.
Hut ab Schweizer, denn sie machen öffentlich was ja wie gesehen, die Mehrheit denkt. Nun möchte die NZZ wohl gerne das Volk wohl am besten einfach wegen Handelsinteressen auswechseln: „Für den ohnehin angeschlagenen Ruf der Schweiz dürfte ein Schaden zu befürchten sein”.
Man kann die Legitimität der Demokratie, also der Herrschaft der Mehrheit, das Leben der einzelnen Menschen so weit zu regeln, dass sie den Bau von bestimmten Sakralbauten untersagt, grundsätzlich in Frage stellen. Das hat aber mit Volksabstimmungen nichts zu tun, sondern mit dem Mehrheitsentscheid als solches. Und in der Tat gibt es dafür die Menschenrechte.
Doch selbst die “Menschenrechte” sind eine diffuse oder gar zum Teil eine fiktive Angelegenheit. Was das Recht auf Leben und körperliche Unvehrtheit sowie das Verbot von Folter sind, lässt sich noch recht einfach bestimmen. Man kann sie auch von staatlicher Seite recht einfach umsetzen, indem man Todesstrafen und Folter als staatliches Instrument abschafft.
Auch die formale Meinungs- und Religionsfreiheit lässt sich noch einfach herstellen. Bei letzterem gibt es das Verbot für den Gesetzgeber der an Menschenrechtsabkommen gebundenen Staaten, die Ausübung einer Religion zu verhindern oder einzuschränken. Immer wenn ein Staat diese “klassischen” Menschenrechte einschränkt, gibt es einen Aufschrei – und das oft zu Recht.
Die meisten Menschenrechte werden vermutlich in keinem der an sie gebundenen Staaten beachtet. Was heißt schon das “Recht auf Selbstbestimmung”. Was soll konkret der erste Satz im Grundgesetz “Die Würde des Menschen ist unantastbar heißen”. Das sind allgemeine und wünschenswerte Bestrebungen, doch von einer Verwirklichung sind sie Lichtjahre entfernt. Hier müsste die Politik eigentlich jeden Tag ansetzen und sie umzusetzen versuchen.
Solange das nicht passiert, ist der Aufschrei wegen dem Verbot der Minarette in der Schweiz lächerlich und nebenbei heuchlerisch. Die Frage der Machtstrukturen innerhalb der Gesellschaft entscheidet sehr viel mehr über die Beachtung der Menschenwürde, über die Existenz von individuellen Freiheiten, als formale Menschenrechte und die Freiheit zum Bau eines Minaretts. Das Über- und Unterordnungsverhältnis in der Wirtschaft schafft faktische Unfreiheit und erzeugt viel Leid.
Solange dies so ist, muss ich die Empörung über die Entscheidung des Schweizer Volkes zum Minarettverbot als heuchlerisch und Ablenkung von den wirklich wichtigen Problemen bezeichnen.
Ich lebte in der Schweiz, einem hochentwickelten europäischen Land mit einer gebildeten Bevölkerung mit einer jahrhundertelange Tradition der Volksbefragungen und -freien Entscheidungen in einer sehr alten direkten Demokratie.
Freie Bürger haben sich eben in einem demokratischen Referendum massiv mehrheitlich gegen die Politiker und den Bau weiterer Minarette entschieden. Nicht mehr und nicht weniger. Das ein Minarettverbot Religionsfreiheit verletzt, leuchtet mir nicht ein. Schon eher, wenn Politiker, Künstler oder Journalisten wegen ihrer Meinung umgebracht werden. Perfide finde ich es wenn z.B. Mordopfer wie Fortuyn zu Verursachern und Täter zu Opfern umdefiniert werden. Man kann solches schon fast als Drohung interpretieren.
Wohlgemerkt es ging gegen Minarette, nicht gegen Moscheen oder gegen Religionsfreiheit. Es gibt in der Schweiz buddhistische Tempel, von beachtlicher Grösse – ohne Türme. Eine ähnliche Volksabstimmung gab es in München, dort stimmten Bürger gegen Hochhäuser innerhalb des Mittleren Ring ab, die das Stadtbild verschandelt hätten. Es war kein “schwarzer Tag” und kein Zeitungsschreiber hatte Schaum vorm Mund (na ja einige im Rot/Grünen Stadtrat schon). Könnte es nicht einfach sein, das Europäer lieber Kirchenglocken hören als lautsprecherverstärktes unverständliches Geplärre von Minaretten? Oder ein Mehrheit der Schweizer die Schweiz als Ihre Heimat sieht, über die sie das Recht hat, demokratisch zu bestimmen? Ich halte in jedem Fall Bauvorschriften für eine geringeren Eingriff als Todesurteile für Demonstranten im Iran oder Christenmorde in der Türkei oder Jemen.
Die erste Demokratie in Europa wagt es in seinem Land über eine Bauvorschrift zu bestimmen, ohne die EU oder Islamische Länder zu befragen. Bravo Schweizer.
Nicht die Schweizer, sondern manche Journalisten haben die Idee der Freiheit und das Prinzip der Menschenrechte aufgegeben. Sie haben die Weltsicht Osama bin Ladens übernommen, der zufolge Europa nur weiterleben darf wenn es die Freiheit aufgibt. Angst vor der Angst ist die zentrale Aussage des Terrorismus.