Auch das neue Buch des ehemaligen Bundesbankvorstandes Thilo Sarrazin ist mit über 400 Seiten und vielen Fußnoten keine leichte Urlaubslektüre, sondern macht den Eindruck eines qualifizierten Sachbuches. Sarrazin belegt mit Sachverstand und Pragmatismus die finanztechnischen Geburtsfehler des Euro aber auch deren innen- und aussenpolitschen Hintergründe. Als ausgewiesener Finanzfachmann weiß er, worüber er spricht. Seine Thesen sind immer schlüssig und akribisch belegt. Sarrazin ist allerdings nicht der einzige und auch nicht der erste, der darauf hinweist und ein gut informierter Bürger kann an seinen Thesen wenig Provozierendes finden. Das wurde ihm natürlich auch schon vorgeworfen. Das Buch möchte ich daher unter vier Gesichtspunkten beurteilen:
a) belegt es seine Euro Thesen (oder widerlegt es Euro-Lügen) mit qualifizierten Fakten und Daten
b) bringt es neue innovative Argumente oder wenigstens neues über die Hintergründe der Fehlentscheidungen
c) zeigt es Lösungswege auf Makro oder Mikroebene
d) beantwortet es die Frage “Cui Bono” – wer sind die Nutznießer des EU Debakels?
Das Buch punktet in allen Kategorien mit AAA in Kategorie a) und b). Einige wenige seiner Bemerkungen sind polemisch.Aber die Intention ist glasklar und konsequent und der entscheidende Nutzen von Sarrazin’s Buch ist gegegeben. Es hat die Zweckmäßigkeit (pekuniär und nicht-pekunär) des Euro und der EU als Fachmann didaktisch brillant bewertet – Resultat negativ. Dann hat er Euro und EU vom den Zielen Europa getrennt und damit den einzigen -Weg- zu einer Lösung aufgezeigt: Es geht im Kern um eine Wertedebatte und um demokratische Legitimität. Erst dann können wir über ökonomische oder politische Lösungen diskutieren. Als Fachmann (und Nicht-Staatsmann) hat er im letzten Kapitel konsequenterweise als Bürger das Tor zu dieser Wertedebatte geöffnet. Seine letzten Sätze: „Europäische Zusammenarbeit und Währung sind Instrumente der Politik. Ihnen sollte kein Eigenwert zugeschrieben werden, der über ihre Zweckmäßigkeit hinausweist“. Diese Werte Diskussion gibt es und wird mittlerweile offen schon in der angelsächsischen Wirtschaftspresse diskutiert ich verweise beispielsweise auf den Artikel im Economist 5/26/2912: „An ever-deeper democratic deficit“. Bezeichnender Weise hinter verschlossenen Türen in der EU zum Thema Visionen Europas.
1. FEHLENTSCHEIDUNGEN UND KONSTRUKTIONS FEHLER DER EURO-POLITIK.
Zitat: Wie viele ältere Männer war Helmut Kohl von dem Gefühl getrieben, wichtige langfristige Fragen, für die die Weisheit und Macht seiner Nachfolger nicht ausreichen würde, möglichst zu seiner Zeit abschließend zu regeln, mochten ein paar technische Unterpunkte auch noch ungeklärt sein. So kam Deutschland zum Euro”.
Die Euro-Einführung haben mittlerweile alle Ökonomen und die gesamte Wirtschaftspresse, die ein Mindestmass an Urteilungsvermögen und Unabhängigkeit vom Politikbetrieb und den Wirtschaftsmächten haben, als großen Fehler erkannt. Nach Sarrazins Darstellung war die Einführung des Euro ein finanztechnischer Fehler wider besseren Wissens und er beleuchtet präzise, fokussiert und sachlich die Auswirkungen für Deutschland und Europas Bürger. Insbesondere das Aufheben des Haftungsausschluss für die Schulden anderer Länder – des sogenannten No-Bail-out-Prinzips war seiner Ansicht ein schwerer Fehler.
2. DEUTSCHLAND HAT KEINEN VORTEIL VOM EURO
“Mehrheitlich betrachteten wir damals (Juli 1989 d. Verf.) im Hause alle Überlegungen für eine
Europäische Währungsunion als Anschlag auf die deutsche Stabilitätskultur” und “Der große Erfolg der europäischen Integration fand bis zum Beginn der gemeinsamen Währung statt”, argumentierte Sarrazin. “Die reinen Daten und Fakten sagen, dass Deutschland durch den Euro keine messbaren Vorteile hatte”.
Für die Südländer habe die Gemeinschaftswährung “wachsende Risiken” gebracht. Außerdem ist der Anteil des deutschen Exports, der in die Euro-Zone geht, seit Beginn der Währungsunion deutlich gefallen, der Außenhandel mit den Euroländern hat sich unterproportional entwickelt und in Nicht-Euro-Staaten aus Asien und Südamerika stark gestiegen. Die starken EU Länder profitierten nicht, die schwachen Länder wurden destabilisiert.
3. EUROPA HÄNGT NICHT VOM EURO AB
Zitat: “Sind die Briten, Schweden, Polen, Tschechen keine Europäer oder leben sie in gescheiterten Staaten, nur weil sie nicht mit dem Euro zahlen?”
Argument: Europa ist erfolgreich, wenn Frieden herrscht, wenn in den Ländern Europas die Demokratie stabil bleibt bzw. sich weiter festigt, wenn die Menschen aus eigener Kraft ihre Lebensverhältnisse verbessern können, Arbeit finden und von den Früchten ihrer Arbeit leben können. Er weißt auch richtigerweise darauf hin, dass der gemeinsame Euro nicht notwendig ist für das Projekt “Europa”, sondern die europäischen Völker jetzt sogar gegeneinander aufhetzen. Mit der drohenden Staatspleite einzelner Länder wird die Europäische Währungsunion endgültig zum Alptraum. Sarrazin widerlegt Angela Merkels Diktum “Scheitert der Euro, dann scheitert Europa” – Europa braucht nicht nur den Euro nicht, sondern dieser destabilisiert Europa wirtschaftlich und gefährdet den sozialen Frieden.
4. EUROBONDS SIND KONTRAPRODUKTIV
Argument: Länder mit einer weniger soliden Finanzpolitik werden durch Eurobonds von den wirtschaftlichen Folgen ihres finanziellen Handelns entlastet, während die solideren Länder zusätzliche Haftungsrisiken auf sich nehmen. Die weniger soliden Länder im Euroraum die haben Mehrheit, deswegen seien Eurobonds in seinen Augen nichts weiter als die ultimative Vergemeinschaftung der Finanzpolitik zu Lasten der finanzstarken Länder”. Nebenbei, in der Zeit vor der EU Krise hatten wir de-facto Eurobonds, sie sind Problem, nicht Lösung.
5. SELBSTBESTIMMUNG VON SCHULDENLÄNDERN
Argument: Weder Zahlmeister noch Zuchtmeister. Die stabilen Euro-Länder dürfen den Schuldenländern keine Vorschriften mehr machen, wie sie ihre Staatshaushalte gestalten und inneren Angelegenheiten regeln sollen, die über die Herstellung des gemeinsamen Marktes hinausgehen. Wenn ein Land unter der Disziplin der gemeinsamen Währung nicht leben kann oder will, solle es jederzeit frei sein, zu seiner nationalen Währung zurückzukehren. Europa müsse aufhören, Geld dorthin zu schicken und den Bürgern es selbst überlassen, ihren Weg zu finden.
6. DEUTSCHE VERPFLICHTUNGEN
Argument: Deutschland müsse laut Sarrazin alle bereits gemachten Hilfszusagen einlösen, aber keine weiteren Zusagen mehr machen. Der Rettungsschirm ESM überfordert Deutschland, lähmt die Reformanstrengungen in den Problemländern wenn die Europäische Zentralbank dauerhaft die Geldwertstabilität unterminiert, dann sind die Grundlagen der Währungsunion hinfällig.
Sarrazin führt zu Recht aus, dass Deutschlands Geschichte eben nicht für die Begründung einer (extrem weitreichenden) währungspolitischen Entscheidung herangezogen werden darf. So ganz lang sind hier die Haare nicht, an denen sich seine These herbeiziehen lässt, nach dem Deutschland wegen seiner historischen Schuld von anderen erpresst oder sogar bekämpft würde. Diverse Mitglieder aller Parteien (Schäuble, Kohl, Roth, Cohn-Bendit, Verheugen) mahnten mit Verweis auf den 2. Weltkrieg zu einer sogenannten besonderen Verpflichtung zur Solidarität(zum Zahlen): “Sie sind außerdem getrieben, von dem sehr deutschen Reflex, wonach die Buße für Holocaust und Weltkrieg erst endgültig getan ist, wenn wir all unsere Belange, auch unser Geld, in europäische Hände gelegt haben.”
7. RISIKEN DES AUSSTIEGES
Thilo Sarrazin hält das Festhalten am Euro um jeden Preis für einen fatalen Fehler. Er meint: Lieber ein Euro-Ende mit schmerzhaftem Crash als dauerhaft hohe Kosten in der Transfer-Union.
8. LÖSUNGSANSÄTZE
Das Buch enthält solide Argumente u. Lösungsansätze, z.B. wie sich die Bundesbank und EZB verhalten soll, zum Investment- und Publikumsbanking. Das jetzige Modell bei dem die Bundesbank durch Target2 Forderungen von zuletzt über 500 Milliarden Euro gegenüber den Notenbanken finanzschwacher Länder erpressbar ist, wird mit dem Schweizer und US Modell verglichen. Ich glaube es ist auch zuviel verlangt, in diesem Disaster digitale Richtungsansagen zu erwarten. In der FAZ hat er die Metapher von Klausewitz – geordneter Rückzug als schwierigstes Manöver – gebracht. Sarrazin präsentiert, und das ist m.E. auch richtig, Szenarien, Risiken und Mitigierungen von Risiken. Er gibt auch einen klaren Hinweis wie der kalten Enteignung – die insbesondere in der deutschen Alterstruktur zuschlägt – begegnet werden kann. Wenn er aus dem Nähkästchen plaudert wird das das Buch stellenweise ein Lehrbuch.
9. CUI BONO
Sarrazin geht nicht so weit zu behaupten, die entscheidungstragenden Politiker haben die nun eingetretene Krise mehr oder weniger wissentlich eingeplant und/oder als Legitimation zur Durchsetzung von noch mehr postdemokratischem Zentralismus in Europa genutzt – obwohl der Schluss naheliegt. Allerdings belegt er, dass alle Rettungsaktionen ein krankes System stützen. Hätten wir einen Schuldenschnitt gehabt, wäre der ganze Spuk mit Griechenland schnell vorbei gewesen, und die Welt müsste sich mit dem wahren Problem beschäftigen, mit den USA und UK.
Sarrazin neues Buch unterlegt recht präzise den Verdacht, wir Bürger werden in der Europa- und der Eurofrage verschaukelt, die Wahrheit werde uns nicht gesagt, und Steuerzahler sollen die Fehlleistungen von Banken, Versicherungen und der Politik ausbaden. Die derzeitige Kakophonie, in der Politiker und Journalisten ideologische Mantras sowie sinnfreie Postulate den sachlichen Argumente des Herrn Dr. Sarrazin entgegensetzen, weil sie den unabhängigen Fachmann nicht totschweigen können, sind bezeichnend.
Das Besondere an Sarrzins Protest gegen die maßgeblichen Eliten – im letzten Buch gegen die Sozial-, Bildungs- und Einwanderungspolitik, jetzt gegen die Finanz-, Währungs- und Europapolitik – wird eben hier von einem Mitglied derselben Eliten formuliert. Sarrazin legt den Finger in die Wunde EU und Euro, und seine Kritik aus dem Inneren des Kritisierten heraus macht ihn zum Hassobjekt der mit der gesamten vorhanden publizistischen Feuerkraft bekämpft wird. Die Aufregung und die Provokation von Sarrazin liegt aber in der Befindlichkeit der Empfänger, weil hier ein Experte mit Zugang zu Massenmedien klar und gut verständlich Scheinargumente widerlegt, und als Insider das geschichtliche Versagen der deutschen politischen Klasse dokumentiert. Das Buch ist ohne Vorkenntnisse in den Themenbereichen nicht immer leicht zu lesen. Es gibt einige Wiederholungen, die aufgrund der komplexen Materie aber nicht nachteilig sind, im Gegenteil. Der Schreibstil ist recht trocken. Er ähnelt einem Lehrbuch über Makroökonomie. An einigen (wenigen) Stellen kann man so etwas wie Ironie und Humor entdecken. Die umfangreichen Fußnoten zeigen, aus welchen Quellen Sarrazins Daten und Erkenntnisse stammen. Dabei ist sehr oft die F.A.Z. und F.A.S. erwähnt. Was fehlt, ist ein Sach- und Personenregister, wie es sich eigentlich für ein Sachbuch gehört.
P.S. In diesem Zusammenhang lohnt es sich sein Buch “Der Euro, Chance oder Abenteuer?” aus dem Jahre 1997(wieder) zu lesen, welches noch vorsichtig optimistisch Risiken beschrieb die nun eingetreten sind.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Magisches Denken
Politische Wette
Visionen, Visionen
Fahrt ohne Führer
Ordnung im Chaos
1 – Von der deutschen Währungsreform zum Europäischen Währungssystem – die Vorgeschichte der Europäischen Währungsunion
Die Währungsordnung von Bretton Woods
Deutsche Prägungen: Die D-Mark und das Wirtschaftswunder
Das Ende der Währungsordnung von Bretton Woods
Die keynesianische Lehre scheitert an der Praxis
Überschussländer als Sündenböcke: Die Lokomotivtheorie
Zwischen Keynes und Konsolidierung: Die letzten Jahre der sozialliberalen Koalition
Staatsverschuldung, Inflation und Wechselkurse
2 – Das Konzept der Europäischen Währungsunion und seine Bruchstellen – eine Bestandsaufnahme
Voraussetzungen für gutes Geld: Das Beispiel des Goldstandards
Der Antrieb für die gemeinsame Währung
Ordnungsbilder und -konzepte
Wettbewerbsliberalismus im Gemeinsamen Markt
Der Maastricht-Vertrag
Europäisches Notenbanksystem
Die Staatshaushalte in der Währungsunion
Die Konvergenzkriterien
Erfolgsvoraussetzungen und Bruchstellen
Flexible, wettbewerbsorientierte Arbeits- und Gütermärkte
Finanzpolitik nach Maastricht-Kriterien
Unabhängigkeit der EZB
Ausschluss monetärer Staatsfinanzierung
Beachtung des No-Bail-Out-Prinzips
Sanktionierung und Einklagbarkeit von Vertragsbrüchen
In den Kapiteln 1 und 2 beschreibt Sarrazin die Entstehungsgeschichte der Währungsunion und er macht eine Bestandsaufnahme. Dabei lässt er auch seine persönlichen Erfahrungen in verschiedenen Funktionen mit einfließen. Seine Skepsis dringt durch in der Bemerkung (S. 79): “Währungsunionen souveräner Staaten hatten meist eine kurzlebige und selten glückliche Geschichte.” In Kapitel 3 analysiert er die Europäische Währungsunion und fragt, was und warum etwas schief gelaufen ist. Die ersten öffentlichen Äußerungen des Finanzministers zum Maastricht-Vertrag kommentiert Sarrazin (S. 91): “Bei den ersten öffentlichen Äußerungen von Wolfgang Schäuble … fragte ich mich fassungslos, ob er und ich denselben Vertrag gelesen hatten.” Die Vertragsbrüche werden genannt (Verschuldungsgrenzen, No-Bail-Out, monetäre Staatsfinanzierung) und kritisch beleuchtet. Er stellt unmissverständlich fest (S. 110): “Griechenland war durch Betrug in die Währungsunion gekommen.” Die griechische Regierung hätte ihre Zahlen aufgebläht quasi wie eine “Sumpfblüte”.
3 – Der Vollzug der Europäischen Währungsunion: Was ging schief und warum?
Missverständnisse
Unabhängigkeit der Notenbank
Risiken von »Sovereign Debt«
Das No-Bail-Out-Prinzip
Euro als »Geschenk«
Vertragsbrüche
Verschuldungsgrenzen
No Bail-Out
Monetäre Staatsfinanzierung
Die ökonomischen Ergebnisse
Wachstum und Wohlstand
Beschäftigung
Außenhandel, Leistungsbilanzen
Die Zahlungsbilanzkrise im Euroraum und ihre Finanzierung
Inflation und Lohnstückkosten
Staatsverschuldung
Zinsen
Hat die Geldpolitik versagt?
Notenbank und »Sovereign Debt«
Risiken der monetären Finanzierung durch die EZB
Der aufgebaute Druck
Auseinanderbrechen des Euroraumes?
Notenbankpolitik und Fiskalpolitik: Ein wichtiger Rückkopplungsmechanismus
4 – Die europäische Rettungs- und Währungspolitik 2009 bis 2012
Die Ruhe vor dem Sturm
Warum gerade Griechenland?
Die griechische Frage sine ira et studio
Die Logik des No Bail-Out
Die Logik des Rettungsschirms
Der Charme der Insolvenz
Austritt aus dem Euro?
Die Bankenfrage
Ansteckung, Brandmauern und Bazookas
Eurobonds
Lender of last Resort
Die Rettungspolitik und das Grundgesetz
Sechzehn Krisengipfel und viele Rettungsschirme
Anleihekauf durch die EZB: Die Vertreibung aus dem Paradies
Die deutsche Gesamthaftung: Risiken und Wahrscheinlichkeiten
Wirtschaftsregierung und Fiskalunion
Der zwischenstaatliche Vertrag
Das »endgültige« Griechenland-Paket
Die »Dicke Bertha« der EZB
5 – Die »Vorteile« der Währungsunion, prinzipiell hinterfragt
Wäre der Euro gekommen, wenn wir 1992 gewusst hätten, was wir heute wissen?
Scheitert Europa, wenn der Euro scheitert?
Wird Deutschland verschweizern?
Der Missbrauch des Euro für währungsfremde Zwecke
Der Euro als Katalysator der europäischen Integration?
Außenhandel und Binnenmarkt
Wachstum und Beschäftigung
Was bleibt?
In Kapitel 4 und 5 nimmt sich Sarrazin die Rettungs- und Währungspolitik vor und hinterfragt die Vorteile der Währungsunion. Den Sinn des No-Bail-Out-Prinzips (Verbot der Haftung für Schulden anderer Staaten) macht er am Beispiel guter Nachbarschaft verständlich (S. 181): “Man grüßt sich …, nimmt Pakete für den Nachbarn entgegen, passt gegenseitig auf Hund und Katze auf. Aber für seine in Euro aufgenommene Hypothek kommt der Nachbar bitte selbst auf.” Die Aufgabe des No-Bail-Out-Prinzips betrachtet Sarrazin als eine (S. 218) “gigantische Fehlsteuerung”. Trotz aller Kritik an den Vorgängen steht er auf dem Standpunkt (S. 328) “man müsse alles tun, was im Rahmen des Vernünftigen geboten ist, um das Überleben des Euro zu sichern, aber eben nicht um jeden Preis.
6 – Die Weltfinanzkrise, die Systemfrage und was daraus zu lernen ist
Die Krisengeschichte
Säkularer Rückgang der Inflation durch Globalisierung
Die USA werden zum Schuldner, China wird zum Gläubiger der Welt
Leichte Geldpolitik wird scheinbar straflos möglich
Ewiges Wachstum ohne Krise?
Die Inflation der Vermögenspreise
Subprime Loans: Die Formel zum Reichtum für alle
Zusammenbruch: Wie Kapital verdampft
Die Kosten der Krise
Die Psychologie des Kollektivirrtums
Lehren aus der Krise
Regulierung der Banken und der Finanzmärkte
Too big to fail?
Fortfall der Risikoadjustierung von Eigenkapitalanforderungen
Mindestquote des Eigenkapitals
Bewertungs- und Bilanzierungsfragen
Trennung von Publikumsbanken und Investmentbanking
Eigenkapitalanforderungen beim Erwerb von Immobilien
Wie viel Finanzsektor braucht die Volkswirtschaft?
Geldpolitik
Finanzpolitik
Schuld und Schulden: Die Systemfrage
Kapitel 6 widmet Sarrazin der Weltfinanzkrise. Von den Experten meint er: “Im Zweifel irren sie lieber gemeinsam mit den Kollegen, als alleine das Risiko einer Falschprognose einzugehen.” Und die Bemerkung (S. 263): “Man muss in manchen Situationen fast schon verhaltens- und beziehungsgestört sein, um sich einen klaren Blick für die Fakten zu bewahren”, bezieht sich vielleicht auch auf sein eigenes Empfinden.
7 – Die Rolle der staatlichen Haushalte
Vorbemerkung
Zur Ordnungspolitik der Staatsfinanzen
Die anthropologische Konstante des Finanzwesens
Staatsvertrauen und die Rolle der Solidarität
Staatsdefizit und Staatsquote
Staatsdefizit und Notenbank
Leistungsbilanz, Sparen und Staatshaushalt
Logik der Nachhaltigkeit und Technik der Haushaltssanierung
Zur Grundlogik konzeptioneller Finanzpolitik
Zur Praxis von Konsolidierung
Konsolidierung des Bundeshaushalts 1981/82
Konsolidierung der Bundesbahn von 1982 bis 1989
Konsolidierung des Landeshaushalts von Rheinland-Pfalz von 1991 bis 1997
Konsolidierung des Landeshaushalts von Berlin von 2002 bis 2009
Der Todeszins
Hilft eine Schuldenbremse?
Der Blick auf einzelne Euroländer
Frankreich
Italien
Spanien
Portugal
Griechenland
Irland
Europäische Finanzpolitik
Die Furcht vor dem Laufmascheneffekt
Schuldenbremsen und Sanktionsregime
EFSF und ESM
Eurobonds und andere Elemente gemeinschaftlicher Haftung
Fiskalunion – Transferunion
Wie geht es weiter?
In Kapitel 7 betrachtet er die Rolle und Funktion staatlicher Haushalte und findet eine “anthropologische Konstante des Finanzwesens” in der Erkenntnis (S. 294): “Der Umgang mit eigenem Geld ist stets sorgfältiger und wirtschaftlicher als der Umgang mit fremden Geld.” Es folgen ganz konkrete Vorschläge, wie Missbrauch und Verschwendung in öffentlichen Haushalten vorzubeugen ist. Sarrazin beschreibt dann einige Praxisbeispiele aus seiner Berufslaufbahn: Konsolidierung Bundeshalt 1981/82, Konsolidierung Bundesbahn 1982/1989, Konsolidierung Landeshaushalt Rheinland-Pfalz 1991/1997, Konsolidierung Landeshaushalt Berlin 2002/2009. An diesen Beispielen erkennt man, dass Sarrazin in diesem Buch weiß, wovon spricht bzw. schreibt. Wenn er dann noch seine Erfahrung in Empfehlungen zusammenfasst, können seine Kritiker ihm kaum mit sachlichen Argumenten widersprechen.
8 – Die Währungsunion und die Zukunft Europas
Was ist Europa?
Europa und seine Völker
Historisches
Das Verhältnis der Völker
Die deutsche Flucht nach Europa
Was ist ein Scheitern Europas?
Europa in der Welt
Ordnungsbilder für Europa
Ein europäischer Bundesstaat?
Ausblick
In Kapitel 8 (Die Währungsunion und die Zukunft Europas) ist dann empfehlenswert geht Sarrazin auf die Historie Europas ein. Er stellt fest, dass Europa nie eine staatliche Einheit war und zweifelt, ob das je sein könnte. Doch Europa sei größer als der Euro. Er meint (S. 388): “Die Mentalität des Südens … verträgt sich nicht immer mit dem linearen Effizienzdenken des Nordens.” Vorher hat er in Nordländer” (Deutschland, Österreich, Benelux) und Südländer” (Griechenland, Italien, Spanien, Portugal und Frankreich) unterschieden. Er zitiert den Chefredakteur der WIRTSCHAFTSWOCHE, Roland Tichy (S. 390): “Die Verbrechen [Deutschlands] der Vergangenheit werden kühl und berechnend zum Zweck der moralischen Erpressung instrumentalisiert”. Sarrazin verschärft dieses Zitat, indem er schreibt (S. 203): “Sie [er meint damit Vertreter von SPD, Grünen, Linkspartei] sind außerdem getrieben von jenem sehr deutschen Reflex, wonach Buße für Holocaust und Weltkrieg erst endgültig getan ist, wenn wir alle unsere Belange, auch unser Geld, in europäische Hände gelegt haben.”