Auf C.G. Jung basierende Exerzitien in St. Ottilien. Brilliante Darstellung und eine brilliante Gruppe – Ärzte, Politiker, Juristen, Architekten und Ingenieure. Es scheint die Kirche zieht heute im Verborgenen Suchende an. Die Frage an diesem Wochende war, was sind eigentlich meine männliche Archetypen?
Als interessante Leitlinie stellte Pater Otto mit der Auseinandersetzung mit seelischen Vorbildern (von C. G. Jung Archetypen genannt) vor. Pater Otto war damals Kandidat und ist heute diplomierter nach C.G. Jung ausgebildeter Psychologe.
Basierend auf dem Buch von Robert Moore, Douglas Gillette und Richard Rohr erschienenen Buch (Rezension in Englisch), setzten wir uns mit diesen vier männlichen Grundqualitäten (Archetypen) auseinander: König, Krieger, Magier und Liebhaber.
Archetypen sind Urbilder der Menschheit. Seit Jahrtausenden sammeln wir Menschen Erfahrungen wie z.B. die Helle des Tages und das Dunkel der Nacht, der Wechsel der Jahreszeiten, der Lauf des Mondes deren ewiger Rhythmus sich tief in unser Bewusstsein eingeprägt hat. Der Schweizer Psychologe C.G. Jung (1875-1961) bezeichnete diese ursprünglichen geistigen Bilder, die allen Menschen gemeinsam sind und seit jeher in Mythen, Legenden und Träumen lebendig waren, als Archetypen, die im kollektiven Unbewussten fest verankert sind.
Nach Jung gibt es neben unserem individuellen Bewusstsein ein so genanntes kollektives Unbewusstes. Dieser Teil unseres Bewusstseins befasst sich mit dem Fundamentalen der Existenz, mit Geburt, Leben und Tod, Hunger, mit unseren angeborenen Anlagen und Verhaltensmustern. Diese allen Menschen gemeinsamen Symbolformen gehen weit über die durch unsere Sprache gesetzten Grenzen hinaus und spielen in unseren Träumen, Visionen und Grundverhaltensmustern eine sehr bedeutende Rolle.
Die Frage wie ich die Rollen als Mann, Ehemann, Vater vereinen kann, begleitet mich mindestens seit ich Vater bin, also zwanzig Jahre. Vor 20 Jahren las ich in den USA das Buch des amerikanische Dichter Robert Bly mit dem Buch „Iron John”. Die auf dem gleichnamigen Märchen basierende Betrachtung moderner Männlichkeit schlug damals in den USA wie in Deutschland gleichermaßen Wellen.
Die Väter und Männerbewegung ebbte wieder ab und schlief ein, als die Genderpolitik völlig Oberhand gewann. Die Aufbruchstimmung der neunziger Jahre wich einem permanenten Getriebensein durch Angst vor Verlust von Arbeitsplatz, Wohlstand und männlicher Identität. Dabei war die Stoßrichtung der „Männerbewegung” darauf ausgerichtet, sich auch in unsicheren Zeiten sicher zu fühlen und das auch an Söhne und Töchter, aber besonders Söhne weiterzugeben. Eben von innen heraus und nicht durch äußere Umstände gegeben.
Basierend auf dem o.g. Buch von Robert Moore sind die Archetypen König, Krieger, Magier, Liebhaber Grundmuster gereifter Männlichkeit. Die psychologischen Studien, die zur Benennung der vier Archetypen führen, ihre Namen sind von den vier grundlegenden Strukturen abgeleitet, die in dynamischem Wechselspiel das Tiefengefüge der mannlichen Psyche bilden. Sie wurden erstmalig am G.Jung Institute of Chicago vorgestellt. Das Buch beruht auf seiner Vorstellung vom archetypischen Selbst, erweitert jedoch das Verstandnis der männlichen Psyche über C.G. Jung hinaus. Jede dieser vier Qualitäten besitzt eine Licht- und eine Schattenseite wie immer bei den Jungschen Archetypen:
- Der König: Verantwortung, Sicherheit
Männer mit reifer Königs Energie wirken stark, gefestigt, gelassen, tolerant, großherzig, erreichbar, ansprechbar. Sie sind wohlwollend streng, stärken anderen den Rücken, können loben und andere anerkennen. Als Schattenform demonstiert der Tyrann seine eigene Wichtigkeit und Macht, verspottet und setzt andere herab, entwürdigt und verbreitet Angst. Der Schwächling weigert sich Verantwortung zu übernehmen und erwachsen zu werden, gibt jedem Recht, lässt alles zu und hat Angst vor Konfrontationen und dem Unbekannten.
- Der Krieger: Mut, Konzentration, Motivation
Männer mit starker Krieger Energie sind bereit, sich für ein wichtiges Ziel voll einzusetzen. Sie sind zielbewusst, ausdauernd, und bereiten sich gut auf ihre Herausforderungen vor. Sie beherrschen ihre Werkzeuge und handeln. Als Schattenformen ist der Sadist hart, brutal, kämpft ohne Rücksicht auf Verluste und Sinn des Kampfes, fühlt sich schnell angegriffen, überflutet von Spannung, Angst, Wut. Er ist aggressiv und hasst (seine eigene) Schwäche, Verletzlichkeit, Hilflosigkeit.Der Masochist lässt scheut Herausforderungen und Auseinandersetzungen; er ist passiv aggressiv, kämpft ungeübt und ungeschickt, gibt schnell nach oder wird unter Druck aggressiv.
- Der Magier: Wissender, Lehrender
Männer mit starker Magier Energie wollen mehr wissen, sie lernen und vertiefen sich in ihre Materie. Sie verschaffen sich Hintergrundinformationen und sinnvolle Alternativen, suchen Zugang zu inneren Kräften und zur Weisheit des Unbewussten. Sie erarbeiten sich damit ihre innere Basis, um Wissen fundiert weitergeben. Als Schattenform erkennt der der Manipulant nur seinem eigenen Vorteil, spielt seine Spielchen zum Nachteil andere, intrigiert und setzt Gerüchte in die Welt. Der Ahnungslose „funktioniert“ oberflächlich ohne Selbsterkenntnis und hinterfrägt nichts.
- Der Liebhaber: Leidenschaft, Einfühlungsvermögen
Die Liebhaber Energie eines Mannes zeigt sich in seiner Begeisterungsfähigkeit, Sinnlichkeit, Liebesfähigkeit und Leidenschaft. Als Schattenformen geht der Süchtige geht völlig auf in positiven oder negativen Empfindungen unter, übernimmt keine Verantwortung für sich und andere, braucht permanente Stimulation,ist ruhelos und rastlos. Der Lieblose lebt kalt und leidenschaftslos innerhalb enger Grenzen, ohne Spontaneität, Liebe und Enthusiasmus, hat Angst sich gehen zu lassen und die Kontrolle zu verlieren.
König, Krieger, Magier und Liebhaber sind in einer gewissen Mischung in mehr oder weniger reifen Formen zu finden. Der unreife König ist eher damit beschäftigt, sein Reich ständig zu vergrößern als gut für das vorhandene zu sorgen. Der unreife Krieger (+) verausgabt sich und ist besoffen von der eigenen Kraft, oder ist wie heute in Deutschland eher (-) der “Frauenversteher” der lange bei der Mama wohnt und diese auch wählt. Der unreife Magier bringt wie der goethesche Zauberlehrling Kräfte ins Rollen, die er nicht mehr beherrschen kann. Und der unreife Liebhaber kann zwar Frauen verführen, aber keine Beziehung gestalten – sehr ausgeprägt in fast allen Wang Kar Wai Filmen.
Der wichtigste Aspekt an diesen vier Archetypen ist jedoch, für mich einen Ausgleich zwischen allen vier Qualitäten zu sorgen und einen Schwerpunkt finden, zu dem es mich automatisch zieht. Die gegenüberliegende Qualität ist schwächer ausgeprägt und bedarf einer besonderen Aufmerksamkeit und Förderung. Es ist zu untersuchen, ob mein eigener Schwerpunkt als Vater und Manager eher beim tyrannischen Despoten als beim weisen Herrscher liegt. Bin ich eher ein zurückgezogener Eremit als ein mutiger Kämpfer? Als Consultant bin ich eher ein kalter Manipulator als ein wahrheitsliebenden Magier? War mein Wunsch, mich im Rausch der Sinne zu verlieren, stärker als mein Wunsch, die Schöpfung durch meine Liebe zu Gott und Menschen zu begreifen? Sieht meine Frau meinen Schatten besser als ich, gerade in Zusammenhang mit der Krankheit meiner Mutter.
Mit einer ausgeprägte Königs-Qualität, vernachlässige ich sicher meine Fähigkeiten als Liebhaber. Als guter Krieger habe ich einen ausgeprägten Realitätssinn, sicher auch geistige Kräfte (die des Magiers). Compassion ist wohl eher schwierig. Zu dieser Einsicht gelangte ich – siehe oben.
C.G. Jung behandelt Eigenarten von Organisationen und Nationen wie Individuen. Vor diesem Hintergrund, sehe ich wenig Kriegereigenschaften und viel Schattenanteil der anderen drei Archetypen im derzeitigen Deutschland, ja dem westlichen Kulturkreis. Das gilt für Kultur, Politik und Männerbewegung.
Quelle:
Robert Moore, Douglas Gillette: König,Warrior, Magician, Lover – A bold map for the masculin psyche.
Robert Bly: Iron John
C.G.Jung: Gesammelte Werke
Jolande Jacobi: Die Psychologie des C.G. Jung