NZZ Lektüre.
Wednesday, November 3, 2010, 19:32 ( 4 views ) – Politics – Posted by Administrator
Ein Interessanter Artikel in der NZZ, deren Lektüre früh morgens mir eine liebe Angewohnheit wurde, Neue Zürcher Zeitung, 03.11.2010
“Die Behauptung des deutschen Bundespräsidenten Christian Wulff, der Islam gehöre zu Deutschland und das Christentum zur Türkei, ist ahistorisch. Es dient der Integration von Einwanderern nicht, wenn jetzt auch Konservative in der Tradition des linken Multikulturalismus Ungleiches für gleich erklären.” Von Ralf Schuler, Sinngemäss führt er aus (ich habe die NZZ leider nicht kopiert):
Unversehens ist Bundespräsident Christian Wulff (CDU) zur Gallionsfigur für das gerade in diesen Tagen viel beschworene Elend der deutschen Konservativen geworden. Mit seiner mundgerechten Sentenz “der Islam gehört zu Deutschland” steht er geradezu beispielhaft für jene Strömung im bürgerlichen Lager, die aus der traditionsreichen bewahrenden Nachdenklichkeit von einst einen wohlfeilen Mitschwimmer-Zirkel gemacht hat.
Konservative zeichneten sich einst dadurch aus, dass sie nicht eilfertig dem Zeitgeist nachstrebten, sondern skeptisch innehielten. Hätte Wulff diese Methode angewandt, so hätte ihm auffallen müssen, dass nicht der Islam zu Deutschland gehört, sondern die eingewanderten Muslime. Ihnen, den kritischen, wie den frommen, nicht den militanten, soll, kann und muss Deutschland Heimstatt sein, wenn sie denn hier leben wollen. “Der Islam gehört zu Deutschland” ist so falsch wie der Satz “Das Christentum gehört zur Türkei”. Das tut es ganz offensichtlich nicht.
Die Illustration der ganzen Absurdheit dieses multikulturell und integrationswilig wohlklingenden Wulff-Satzes hat der Bundespräsident allerdings gleich mitgeliefert: Der Islam gehöre inzwischen zu Deutschland wie das Christentum und das Judentum. Nach 1500 Jahren Christentum und noch längerer jüdischer Tradition (ca. 1700 Jahre) auf germanischem Boden dem Islam eine Zugehörigkeit auszusprechen, weil vor 50 Jahren Gastarbeiter nach Deutschland kamen, ist eine so grandiose Ahistorizität, dass sie eines christlich-konservativen Politikers eigentlich unwürdig sein müsste.
Wer die Kulturkonflikte unserer Zeit so naiv trivialisiert, sollte auch die nordischen Trolle und afrikanischen Voodoo-Geister zu Deutschland zugehörig zählen. Das friedliche Miteinander der Kulturen zu beschwören, wird das Ziel in der Realität nicht befördern. Bislang war dieses Missverständnis meist linksalternativen Schwarmgeistern vorbehalten. Es ist in den Reihen der Konservativen angekommen.
Es ist eben genau diese Spanne zwischen gedankenlos-zweckdienlicher gesellschaftspolitischer Nettigkeit und bildungsbürgerlicher Kenntnis, zwischen gut gemeinter Handreichungsgeste an die Muslime und weniger gefälliger aber doch wahrhaftigerer Ansprache an die deutsche Nation, was den Niedergang der Konservativen ausmacht. Im Grunde aber muss man von jedem verantwortlichen Politiker – ganz gleich, welcher Parteiung – erwarten können, dass er nicht über eintausend Jahre abendländischer Geschichte, über Renaissance, Reformation und Aufklärung einfach aus tagespolitischer Opportunität hinwegschreitet und im integrativen Überschwange eine ganze Religion in diesen Kulturkanon aufnimmt, die all das nun für jeden sichtbar nicht durchschritten und genau deshalb Probleme mit der westlichen Gesellschaft hat.