Ich benutze Internet (mail, news, uunet) seit 1988 und für mich wie für viele andere Menschen hat das Internet eine Dimension erreicht, die man eigentlich nur mit der Elektrizität oder dem Buchdruck vergleichen könnte. Das kommt bei den nicht-netzaffinen Menschen, überhaupt nicht in den Sinn. Diese betrachten das Internet als eine Art “neues Fernsehen” oder “neues Telefon”.
Das Internet bedeutet für die netzaffinen Menschen viel mehr, als Radio, TV und Telefon zusammen für die nicht-netzaffinen Menschen.
Entsprechend wird von mir !jede! Regulierung ausgesprochen kritisch betrachtet, da sie den “Kernbereich” des persönlichen Lebens unmittelbar berührt.Darüber hinaus wird von vielen nicht-netzaffinen Menschen das Potential der Überwachungsmaßnahmen im Internet sträflich unterschätzt.
a) Weil netzaffine Menschen das Internet !viel! stärker nutzen – sowohl intensiver und extensiver.
b) Weil die Überwachung im Internet so einfach ist.
Besonders der zweite Punkt ist kritisch für den Rechtsstaat und die Freiheit des Einzelnen.
Denn die Überwachungsmöglichkeiten sind derart weitgehend, dass die STASI hellauf begeistert wäre! Nicht umsonst werden manche Politiker von der Netz-Community als “STASI 2.0” bezeichnet.
Wollte man nicht-netzaffinen Menschen diese Überwachungsmacht verdeutlichen, man müsste jedem Bürger den ganzen Tag lang einen Spitzel hinterher schicken:
Dieser notiert ständig, wohin der Bürger geht. Er notiert, welchen Weg er nimmt, welche Schaufenster er sich wie lange anschaut, mit wem er spricht, welche Filme der Bürger anschaut, wonach er im Web sucht, und welche Bücher und Presse der Bürger liest. Alle Briefe können gelesen werden.
Nur benötigt der digitale Überwachungsstaat keine 80 Millionen Spitzel. Es reicht bereits, dass die Internetanbieter entsprechende Überwachungsmaßnahmen auf ihren Servern installieren.
Und die Überwachung ist unsichtbar, was ein wesentlicher Unterschied zu den klassischen Überwachungsstaats-Utopien wie z.B. “Brave New World” oder “Fahrenheit 451” ist.
Darüber hinaus wird die Macht des Internets von Journalisten praktisch nicht thematisiert, was ich für ziemlich nachlässig halte. Denn das Internet besitzt erhebliche Macht.
Genau diese Macht ist es, die die Wirtschaft und die Politik erzittern lässt. Barack Obamas Internet-Wahlkampf ist dabei nur ein kleiner Aspekt und allenfalls ein schwaches Vorzeichen für die Zukunft. Das Internet setzt Maßstäbe und stellt alte Maßstäbe und Machtverteilung in Frage.
Ein griffiges Beispiel wäre das File-Sharing, wobei Musik und Filme oft illegal zum bestehenden Recht vervielfältigt und getauscht werden. Trotz drakonischer und völlig unrealistischer Strafen ist es weder der Industrie, noch der Politik gelungen diesem Verhalten von zig Millionen Internetnutzern Herr zu werden.
Die kürzliche Organisation der iranischen Protestbewegung gegen das iranische Regime über das Internet stellt vielmehr ein Beispiel für die gesellschaftliche und politische Macht des Internets dar.
Die Internet-Community drängt sich zunehmend als eine weitere Komponente der Gewaltenteilung auf. Es gibt tausend mal mehr engagierte Internetnutzer, als Journalisten. Das dürfte sowohl den Journalisten (die ihre Arbeit bedroht sehen und auch ihre Deutungshoheit), als auch den Mächtigen (die ihre Macht bedroht sehen) absolut klar sein.
Das Internet negiert nahezu jede Kommunikationskontrolle. Jeder kann mit jedem kommunizieren, fast in Echtzeit und weltweit. Denn es ist von den Mächtigen gleich welcher Couleur schwer zu kontrollieren und bedroht unmittelbar deren Macht.
Die 134000 Unterschriften gegen die unnützen, aber gefährlichen Web-Filter sind nur ein Vorgeschmack, wie sich die Internetznutzer selbst im erstarrten politischen System in Deutschland zunehmend einbringen.
Was würden die Mächtigen wohl sagen, wenn eine e-Petition nun mal von 1 Million unterschrieben würde? Direkte Demokratie und Demokratisierung durch das Internet.