Der Tag der Einheit war dieses Jahr in München. Er wurde zum Tag des Euro. Alle waren sie da, 400 000 Fans, Lammert, Waigel und natürlich Gauck. “Europa ist mehr als der Euro” – für normale Menschen aus DDR-Pastoren-Deutsch zurückübersetzt: Europa muss Euch Eure Verarmung wert sein. An rhetorischem Überschwang hat es in der Geschichte des Euro nie gefehlt – das zeigte sich wieder bei der Predigt von Großredner Lammert zum Einheitsfeiertag. Doch wo große Worte sind, unterbleiben oft die richtigen Fragen. Wenn vermehrter Pathosausstoß immer ein Grund ist, sich auf das Schlimmste gefasst zu machen, dann boten die Einheitsfeiern dem Staatsfernsehen ganz besonders reichlich Anlass, die Zwangsgebühren plakativ mit Grossveranstaltungsmanie zu ver(sch)wenden. So muss es wohl in der DDR gewesen sein. Stoiber war einer der ganz wenigen politisch Verantwortlichen, die Bedenken gegen die europäische Währungsunion hatten und diese auch öffentlich äußerten. Wir können heute gut nachvollziehen, wie er mit seinen Bedenken abgebürstet wurde; wie man ihn zum Europafeind erklärte und zum “DM-Nationalisten”, der seinen Blick zu fest auf den Münchner Kirchturm gerichtet habe. Ein ewig gestriger halt. Die meisten hochfliegenden Pläne kollidieren allerdings mit der Wirklichkeit, wie man aus Erfahrung weiß, deshalb ist es besser, diese möglichst lange von der gelenkten Presse ausblenden zu lassen. Der Eintrag ins Geschichtsbuch als Sinnbild dieses übersteigerten Narzissmus’ benötigt halt Opfer, die vorzugsweise nicht selbst erbracht werden müssen. Herrn Lammerts “Festrede” – Schwanengesang aus dem Agit/Prop-Repertoire triffts besser – hat bei mir nur den Brechreiz gefördert. Sicher nicht den Glauben in das “Europäische Haus”.Opposition und Regierung mögen sich im Ausmaß der Außerachtlassung deutscher Interessen unterscheiden. Sie beschreiten jedoch alle einen Weg, der für die Jüngeren unter uns und für die, die nach uns kommen, steinig und schwer werden wird. Es ist erschreckend, wie sicher sich die Politiker fühlen dürfen. Sie werden trotz gigantischen Versagens wieder gewählt und teilen die Sorge und Nöte derer, die das zu erwirtschaften haben, was wir ohne Not und ohne Gegenleistung anderen versprochen haben, nicht. Insofern tragen wir alle eine Mitverantwortung. Ein Land, in dem sich an Bahnhofsbauten Wahlen entscheiden, dessen Bevölkerung aber bei so grundsätzlichen Fragen teilnahmslos bleibt, hat wohl nichts Besseres verdient. Dabei mag man die Entschuldigung gelten lassen, dass der Journalismus in Deutschland nicht erst seit kurzem seine schwärzesten Stunden erlebt. Die Vorgehensweise der Euro-Befürworter setzt stets auf eine der drei Säulen: 1. Tränendrüse (Solidarität mit den Schuldnerstaaten), 2. Schuld der Deutschen (Kriege und Holocaust) und 3. Weltuntergang ohne Euro. Namhafte Finanz- und Wirtschaftswissenschaftler halten dagegen die Abschaffung des Euro und die Einführung nationaler Währungen für unumgänglich. Der Euro nicht nur eine Utopie gut meinender Idealisten (und wie üblich schlecht gemacht), sondern auch das knallharte Projekt der konkurrierenden Gross- und Finanzindustrie gegen Demokratie und Dollar. Und wie dass nunmal so ist bei Schachzügen: sie können auch scheitern. Die EU-Bürokraten kümmert es nicht, sie versuchen die Sache so zu drehen, dass da wohl die nationalistischen Gesellen gegen den Euro und die Schuldunion und die EUdssr sind. Nebenbei der US-Steuerzahler bezahlt nicht die Schulden von Kalifornien. Der US-“Maastricht”-Vertrag wird eingehalten.
Die gute europäische Idee ist durch politische Fehlleistungen zum Intensivpatienten geworden. Europa ist inzwischen zu einer Wortblase verkommen. Der Euro in der derzeitigen Umsetzung ist eine Utopie wie “The Big Leap“ in China oder die sozialistischen Brüderstaaten. Statt sich für die Fehler der Vergangenheit die Verantwortung zu übernehmen und die richtigen Schlüsse aus den Fehlern zu ziehen, rechtfertigen die alten Männer und die politische Klasse weiter nach dem Motto: “Was nicht sein kann – das nicht sein darf!”. So zieht der Zug der Euro-Lemminge weiter… Der Bürger kann aber nicht nur verlangen, dass ihm die Moralaufrufe oder Erweckungspredigten wie jene am Mittwoch erspart bleiben. Nein – er kann vielmehr verlangen, dass er in diesem Lande endlich zu dem wird, der er ist – zum Souverän. Denn alle Staatsgewalt geht vom Volke aus!