Die verlorene Einheit – Verstossung des Nestorianismus

Der Nestorianismus der Antiochenischen Schule nahm die gegensätzliche Position zum Monophysitismus Alexandriens (Ägypten) ein. Die Antiocher gingen den “Zweinaturenweg”, die Alexandriner dagegen lehrten, dass die menschliche und die Logosnatur immer eins seien. Letztlich war das der Unterschied zwischen Stoa (Dyophysiten) und Platonikern (Monophysititen). Durch bewusst verfälschende Darstellung des Kyrill von Alexandria,  ein Widersacher von Nestorius (und der Antiochenischen Schule im heutigen Syrien) und unglückliche Formulierungen der nach Nestorius benannte Christologischen Lehre wurde  diese 431 auf dem Konzil von Ephesos verurteilt das ein voller „Erfolg“ der Alexandrischen Schule war. Angriffspunkt war, dass Nestorius den Gebrauch des Attributs Theotokos (Gottesgebärerin), in Bezug auf Maria, die Mutter Jesu, abgelehnt hat. Im der Christologie hat der  Nestorianismus mit seiner Lehre, dass es in Jesus Christus eine göttliche und eine menschliche Person gegeben habe, recht ähnliche Positionen vertreten, wie sie schließlich im Konzil von Chalzedon 451  mit zwei Naturen genauer definiert wurde. Diese Christologischen Lehre von Chalzedon war ein Kompromiss. niedergelegt von Papst Leo auf Basis der hochentwickelten griechischen Lehre. Letztlich siegte die neuplatonische, dialektische Erkenntnistheorie mit einer wunderbaren, effizienten und exakten Definition (siehe Anhang), welche bis heute die  Grundlage aller christlichen Kirchen und insbesondere des römisch-katholischen Glaubens ist.

Die verlorene halbe Christen-Welt

Trotz Zustimmung bekämpfte der Alexandrischen Monophysitismus (heute Kopten) weiterhin erbittert bis zur islamischen Erobererung diese Ansicht, was maßgeblich zum Verlust des Oströmischen Reiches beitrug. Danach unterwarf sich der Monophysitismus sich dem Dhimmi Rechtstatus und kollaborierte im Kampf gegen Byzanz und Rom. Als Alexandria 642 durch den Kalifen Umar ibn al-Chattab für den Islam erobert wurde, soll er der Überlieferung zufolge befohlen habe, noch vorhandene Bücher zu vernichten, die dem Koran widersprachen. Das Christentum verlagerte sich nach Europa.

 Nestorianer als kulturelle Agenten in Syrien und Ägypten

Auch in den Gebieten unter islamischer Herrschaft in Syrien und Ägypten pflegten die Nestorianer die Wissenschaften. Philosophisch stützte sich der Nestorianismus auf Aristoteles. In Verbindung mit den Schriften des Aristoteles wurde auch das naturwissenschaftliche Erbe der Antike bewahrt. Die Pflege der Naturwissenschaften führte dazu, dass die Nestorianer als Ärzte, Bankiers und Juweliere in der Gesellschaft eine einflussreiche Stellung einnahmen. Griechische Schriften übertrugen berühmte nestorianische Übersetzer für jene ins Syrische (Syriac), für diese ins Arabische. Vieles was heute als islamische Kultur definiert wird, ist in Wahrheit von Nestorianern übersetztes  griechisches, syrisches und ägyptisches Erbe

Nestorianer im Sassanidenreich (Persien)

Nach dem Konzil von Ephesos 431 wanderten viele Nestorianer ins Sassanidenreich (Persien) aus. Die nestorianische Kirche wurde von den persischen Könige geduldet, da die persischen Christen Byzanz und Rom, dem primären Widersacher von Persien,  feindlich gegenüber standen. Das nestorianische Zentrum war Edessa, das heutige Urfa (bzw. Şanlıurfa) im Südosten der Türkei; Trotz mancher Behinderung konnte über die Seidenstraße, deren Arm durch Edessa führte, sich eine Missionstätigkeit entfalten. Nach der  Entscheidungsschlacht bei Hamadan 640 (Ekbetana) gegen das Sassanidenreich fallen große Teile des heutigen Iran in die Hand der muslimischen Eroberer. Dadurch kamen auch die Nestorianer, die  auch von den Sassaniden nur geduldet waren, unter islamischen Einfluss und es beginnen ausgedehnte Strafaktionen, Plünderungen, Versklavungen und Zwangsislamisierung, die erst um das Jahr 900 abgeschlossen sind.

Ausbreitung der  Nestorianer  entlang der Seidenstrasse

Nestorianische Gemeinden hingegen entstanden danach unter den Turkvölkern in Mittelasien und in Sinkiang (chin. Volksrepublik). Ab dem 8. Jahrhundert besteht wegen der islamische Eroberung von Westasien kaum mehr Kontakt der Christen mit dem Westen. Michael von Brück schreibt zur Situation der Christen der T’ang-Zeit Zeit (Mitte 7. Jhd. -Mitte 9. Jhd.):
“Begegnungen zwischen Christentum und Buddhismus in China hat es durch die Einwanderung von nestorianischen Christen aus dem ostsyrischen Raum bereits im 6. Jahrhundert gegeben. Im Volk wurde das Christentum anfangs als eine buddhistische Sekte angesehen, und zwar einerseits wegen der Akkulturation des
nestorianischen Christentums an den Buddhismus, andererseits auch aufgrund ähnlicher Charakterzüge in beiden Religionen (Abkehr von Diesseits um des Heils ineinem “Jenseits” willen, asketische Moralität, Mönchstum).
Spuren dieser Missionstätigkeit wurden auch in auf Sumatra und in Südindien entdeckt. Aufgrund ihrer erfolgreichen Missionstätigkeit entlang der Seidenstrasse konnten die Nestorianer zwischen dem 7. und 14. Jahrhundert weitere Gemeinschaften in Zentralasien, in der Mongolei und in China gründen. Im riesigen Mongolenreich des 12./13. Jahrhunderts oblag die Verwaltung weitgehend nestorianischen Christen. Viele der mongolischen Prinzessinnen waren Nestorianerinnen. Im 13. Jh. blühte die Mission der Nestorianer neu auf, und zwar besonders unter den Mongolen, die im Laufe des 13. Jh. China eroberten. Die Nestorianer erfreuten sich unter Mongolenherrschaft zunächst religiöser Duldung. Ihre Geistlichen waren sogar von Steuern befreit. Teilweise wurden ganze Mongolenstämme christlich.

Nestorianer und der Mongolensturm

Mongolen-Khan Hulagu war Dschingis Kahn’s Enkel, Sohn der nestorianischen Christin Sorkhatani Beki und verheiratet mit einer christlichen Prinzessin. Er war dem Christentum sehr zugeneigt und es gibt Quellen (Armenischer Historiker Vardan Arewelc’i), dass er Christ war und vor seinem Tod zum Buddhistentum übertrat. Ursprünglich waren Mongolen Anhänger eines Schamanismus, den es heute dort noch gibt. Hulagu eroberte 1256 im Auftrag seines Bruders endgültig Persien und beendete die Herrschaft der Ismailiten (Assassinen) im Elburs, eroberte Bagdad und beendete damit das sunnitische Abbasiden-Kalifat. Hulagu’ s-Dynastie begründete in Iran und Irak das Reich der Ilchane, das bis 1353 Bestand hatte und nach mehrereen hundert Jahren der politischen Zerrissenheit eine iranische Renaissance bereitete . Marco Polo hielt sich drei Jahre in seinem Reich auf, bevor er nach die Seidenstrasse nach China zum Grossen Khan weiterzog.

Bei der Eroberung der Festung Alamut gibt es gute Gründe anzunehmen, dass der gefangengehaltene herausragende (shiitische) Mathematiker und Astronom Al-Tusi den Plan für die Festung an Hulagu verraten hat. Al-Tusi nahm später am Feldzug Hulagus gegen die Abbasiden und 1258 n.Chr. an der Eroberung von Bagdad durch die Mongolen teil. Er hat auch eine kurzen Bericht über die Eroberung Bagdads geschrieben.   Al-Tusi wurde von Hulagu , weil er wissenschaftlich interessiert war, mit grssem Respekt behandelte und Al-Tusi wurde ein wichtiger politischer Ratgeber des Khans und sein Hofastronom. Er erhielt später von ihm den Auftrag, die Sternwarte von Maragha in der persischen Provinz Aserbaidschan zu errichten. Dort waren neben islamischen Forschern auch christliche armenische und georgische sowie chinesische Mathematiker und Astronomen beteiligt. Sie bestimmten z.B. die jährliche Präzession der Äquinoktien (Tag-Nachtgleichen) mit fast heutiger Genauigkeit. Al-Tusi ist außerdem der Autor von “Zidsch-Ilchani” (Tafel der Ilchane), welche die Position der Sterne und Planeten mittels verbesserten aber immer noch ptlomäischen Models beschreibt. Für sein Modell der Planetenbewegungen hatte al-Tusi die Tusi-Paare eingeführt, eine Methode eine oszillierende Linearbewegung durch die Überlagerung zweier Kreisbewegungen auszudrücken. Kopernikus verwandte ein ganz ähnliches mathematisches für die Behandlung der Trepidation. Einer von al-Tusi’s wichtigste mathematische Beiträge war die Schaffung der Trigonometrie als mathematische Disziplin. Vieles was heute als islamische Wissenschaft aus diesem Zeitabschnitt definiert wird, ist persischen bzw. asiatischen Ursprungs.

Nochmaliger Aufstieg der Nestorianer

Christen wurden von Hulagu weitgehend verschont und die Schiiten sollen die Mongolen bei der Zerschlagung des sunnitischen Kalifats unterstützt haben. Die Nestorianer feierten die Mongolen nach deren Siegen über die Araber in Mesopotamien und Syrien im Jahr 1259 als ihre Befreier und genossen bei den Mongolen hohe Achtung.  Viele Frauen der Mongolenherrscher waren Nestorianer mit Einfluss auf politische Entscheidungen. Jahr 1330 soll es mehr als 30.000 nestorianische Christen in China gegeben haben.

Untergang der Nestorianer

Ab dem 13. Jahrhundert, nach der Islamisierung der Mongolen und östlichen Turkvölker, folgte aber die nahezu vollständige Vernichtung. Aus politischen Gründen nahm der mongolische Herrscher Persiens den Islam an.   So war das 14. Jh. für die Nestorianer eine Zeitspanne innerer Auszehrung auch durch Übertritt der Eliten zum Islam im Rahmen des Dhimmi Systems. In diesem Zustand brach über die Nestorianer und andere morgenländische Christen ein maßloses Unglück herein: Timur Lenk (1336-1405) erklärte sich unter Verfugung auf den Koran zum Erneuerer des mongolischen Weltreiches und fügte den Nestorianern größten Schaden zu. Doch nicht nur in ihrem Stammgebiet, dem Zweistromland, erlitt die nestoriranische Kirche schwerste Einbußen, auch die Gemeinden in Zentral- und Ostasien erloschen. Die Stellung des Christentums in Asien ging unter wie die im Mittleren Osten, seiner Geburtsstätte des Christentums fünf hundert Jahre früher.

Jesuiten  in China im Zeitalter der Aufklärung

Die spätere Entwicklung in China ist römisch-katholischen und stark mit dem Namen Matteo Ricci verknüpft, der im Jahr 1582 nach China. Als er 1610 als Li Mat-tou, seinem an das Chinesische angepassten Namen stirbt, schrieb der chinesische Kaiser Shen-tsung in einem Nachruf auf Matteo Ricci: “Er ist zu uns gekommen, uns Barmherzigkeit und Liebe zu lehren, und wir haben ihn als Gast aufgenommen. Er ist wahrhaftig einer von uns geworden, und in ihm haben wir dem Westen die Hand gereicht.
1601 kam Ricci schließlich nach Beijing und dort auch in die “Verbotene Stadt”; er erhielt die Erlaubnis, sich in der Hauptstadt niederzulassen. Bald konnten ihm weitere Jesuiten aus Europa folgen. Wegen seiner mathematischen, geographischen und astronomischen Fähigkeiten wurde dann auch Kaiser Wanli auf ihn aufmerksam. Ricci war Vermittler zwischen zwei gegensätzlichen Kulturen. Die Chinesen überzeugte er durch christliche Verkündigung, interkulturelles Verständnis und mit hervorragenden Kenntnisse der Wissenschaft. Die Jesuiten waren mit ihrer Methode einer Bekehrung durch Wissenschaft zunächst ungeheuer erfolgreich in China. Von Ferdinand Verbiest wurde die Pekinger Sternwarte neu eingerichtet. Die Astronomie hatte in China eine große Tradition. Die Kenntnis des “rechten Augenblicks” gab einem genauen Kalender eine fundamentale Bedeutung. Hier konnten die Jesuiten Matteo Ricci, Johannes Schreck, Johann Adam Schall, Ferdinand Verbiest ansetzen. Schreck brachte das eben erst von Galilei erfundene Teleskop nach China mit und verfasste 1626 verfasste ein chinesisches Traktat darüber. Johannes Kepler schickte ihm 1627 seine damals genauesten astronomische Tabellen, die in China sofort eifrig studiert wurden. Schrecks Nachfolger wurde Adam Schall, seinerseits gefolgt von Ferdinand Verbiest, der 1674 die Pekinger Sternwarte mit den „neuesten“ europäischen Instrumenten (nach Tycho de Brahe) ausstattet.

Die römisch-katholische Kirche vergibt eine zweite Chance für das Christentum.

Als Papst Clemens XI. ein Verbot der chinesischen Bräuche aussprach, verbot Kaiser Yongzheng 1724 das Christentum in China, das kirchliche Leben wurde in den Untergrund abgedrängt. Nochmals wurde eine einmalige Chance war vertan. Das Reich der Mitte blieb auf sich bezogen und an den Anliegen der europäischen Kultur und Christentum nicht interessiert.

Noch ein Hinweis. Diese Essays erheben nicht den Anspruch auf wissenschaftliche Genauigkeit. In diesem Bereich der Wissschafts- und Religionsgeschichte geht aber in zunehmenden Masse Objektivität verloren. Speziell die neuere deutsche Literatur und im Netz oft mit viel Geld erzeugte obskure Propaganda, aber auch wikipedia  sollte mit  Englischer, Französischer und “antiquarischer  Literatur” kritisch hinterfragt werden. “The sh..t piles up so fast in” de-constructed history, “you need wings to stay above it”.

Anhang: Konzil von Chalzedon 451

We, then, following the holy Fathers, all with one consent, teach people to confess one and the same Son, our Lord Jesus Christ, the same perfect in Godhead and also perfect in manhood;
    truly God and truly man, of a reasonable [rational] soul and body;
    consubstantial [co-essential] with the Father according to the Godhead, and consubstantial with us according to the Manhood;
    in all things like unto us, without sin;
    begotten before all ages of the Father according to the Godhead, and in these latter days, for us and for our salvation, born of the Virgin Mary, the Mother of God, according to the Manhood;
    one and the same Christ, Son, Lord, only begotten, to be acknowledged in two natures, inconfusedly, unchangeably, indivisibly, inseparably;
    the distinction of natures being by no means taken away by the union, but rather the property of each nature being preserved, and concurring in one Person and one Subsistence, not parted or divided into two persons, but one and the same Son, and only begotten God, (the Word, the Lord Jesus Christ;
    as the prophets from the beginning [have declared] concerning Him, and the Lord Jesus Christ Himself has taught us, and the Creed of the holy Fathers has handed down to us.